Das geplante Reichsbürger-Lokal im Frankfurter Riederwald, dem nun bereits der Vertrag gekündigt wurde, hat für einige Artikel in der Lokalpresse und Aufmerksamkeit in der Stadtöffentlichkeit gesorgt. Die Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien (ASVI) meldet sich nun auch mit einem Statement zu Wort – und kritisiert, wie in den Texten über die Reichsbürger das Geheimdienst-Gerede von „Delegetimierung des Staates“ bedient wird, statt die rechten Ideologien der Reichsbürger-Szene herauszuarbeiten.

Aufgrund der Anmietung eines Vereinslokals im Frankfurter Stadtteil Riederwald ist die rechte Gruppe „Königreich Deutschland“ (KRD) derzeit Thema in den Medien. Die Initiative „Aufklärung statt Verschwörungsideologien“ (ASVI) hat sich im März dieses Jahres in einem ausführlichen Artikel mit den Aktivitäten dieser Gruppe beschäftigt. Der Artikel „Die Suche nach Seelenheil und neuem Leben“ ist auf unserer Homepage nachzulesen.

Die Gruppe „Königreich Deutschland“ wird von uns gleichermaßen den Spektren von Esoterik und sogenannten „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ zugeordnet. Tatsächlich steckt hinter dem Fantasiegebilde des „Königreich Deutschland“ die Idee eines monarchistischen Staatswesens. Dieses ist mitnichten an einem „Gemeinwohl“ interessiert, wie es das KRD behauptet, sondern autoritär strukturiert.

Die Gruppe muss als eine Psycho-Sekte gesehen werden, in der ein Führungskreis Anhänger*innen und Sympathisant*innen systematisch manipuliert und ausbeutet. Im Rhein-Main-Gebiet stellt David Ekwe-Ebobisse eine charismatische Führungspersönlichkeit der Gruppe dar, die Personen in seinem Umfeld sind – soweit feststellbar – in persönlichen Lebenskrisen zu ihm und dem KRD gestoßen und scheinen ihm geradezu hörig zu sein.

Unsere Kritik am KRD macht sich darüber hinaus an der wissenschaftsfeindlichen Haltung fest, die bei deren Anhänger*innen festzustellen ist. Diese ist in den Spektren von Corona-Leugner*innen, Verschwörungsgläubigen, Impfgegner*innen, Reichsbürgern und Esoterik typisch. Die dort herrschenden Meinungen zu Medizin, Gesundheit und Corona-Maßnahmen sind nicht „kritisch“ oder „skeptisch“, sondern sie sind gesellschaftsfeindlich, reaktionär und antisemitisch.

So finden sich im KRD fast durchweg Anhänger*innen der Germanischen Neuen Medizin des fanatischen Antisemiten Ryke Geerd Hamer. Dessen unwissenschaftliche „germanische Heilslehre“ basiert auf dem Verschwörungsmythos, dass die moderne Medizin – und insbesondere Impfungen – eine Waffe der „Talmud-Zionisten“ sei, um die nichtjüdische Bevölkerung umzubringen.

Die Geschäftemacherei beim „Königreich Deutschland“

Viele Angehörige des KRD vermarkten sich – ohne entsprechende Ausbildungen – als „Heiler“ und „Heilerinnen“ sowie als Lebens- und Gesundheitscoaches. Sie vertreten dabei regressive Positionen. Gesundheitsfürsorge wird von ihnen nicht als gesellschaftliche, sondern als rein individuelle Aufgabe angesehen. Krankheit und schlechte Ernährung sind demnach keine Frage sozialer Verhältnisse, sondern Folge individuellen Versagens oder schlechtem Karma. Faktoren wie schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, Klassenverhältnisse und ungleiche Zugänge zu Bildung und medizinischer Versorgung bleiben unbeachtet.

Wir erkennen im KRD ein Netzwerk professioneller Betrüger*innen und Hochstapler*innen. Es ist im kapitalistischen Wettbewerb durchaus üblich, Menschen haltlose Versprechen zu machen, um ihnen bestimmte Produkte anzudrehen. Doch wenn selbsternannte Gesundheitsexpert*innen aus den Reihen des KRD und anderen esoterischen Gruppen schwerkranken und verzweifelten Menschen medizinische Therapien ausreden, um ihnen unwirksame Scharlatanerie-Produkte und -Therapien teuer zu verkaufen, dann verabscheuen wir dies in besonderen Maße.

Jenseits von abstrakter „Staatsfeindlichkeit“: Reichsbürger haben eine extrem rechte Ideologie

Neben Hinweisen auf die betrügerischen Geschäftspraktiken des KRD stand in den vergangenen Tagen in einigen Medien im Rhein-Main-Gebiet der Aspekt im Mittelpunkt, dass das KRD den deutschen Staat ablehnt, demnach staats- und verfassungsfeindlich sei. Dies ist allerdings nicht der Kern unserer Kritik am KRD.

Der Fokus auf die „Staatsfeindlichkeit“ stößt ins Horn des Inlandsgeheimdiensts („Verfassungsschutz“), der zur Beschreibung der Reichsbürgerbewegung eigens die Kategorie der „Delegitimierung des Staates“ geschaffen hat. Diese Kategorie funktioniert ganz im Sinne der „Extremismustheorie“ des Geheimdienstes und ist – bzw. wird es in der Zukunft stärker sein – übertragbar auf Gruppen verschiedener politischer Spektren, die die staatliche Autorität und staatliche Maßnahmen in Frage stellen. Und sie blendet die Ideologie der Reichsbürger und der ihrem Milieu zugehörigen „Selbstverwalter“-Gruppen aus, deren antidemokratisches Denken, Gesellschaftsfeindlichkeit, Biologismus, Sozialdarwinismus, Verschwörungsglauben und Antisemitismus. Diese Ideologie ist im Kern als extrem rechts einzustufen und nicht etwa ein gesondertes, kürzlich entstandenes Phänomen eines abstrakten „Extremismus“.

Den Blickwinkel erweitern: „Corona-Rechte“ und rechter „Libertarismus“

Ein Tummelplatz der Reichsbürger und Selbstverwalter ist seit dem Frühjahr 2020 das Milieu der Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen, das sich zu einer rechten Bewegung geformt hat. Auch dieses wird von den Inlandsgeheimdiensten unter der Kategorie der „Delegitimierung des Staates“ behandelt und darüber entpolitisiert. Auch hier zeigt sich die analytische Schwäche dieser Behörden: Die dort vorhandene ideologische und thematische Gemengelange wird nicht als das erkannt, was sie ist, nämlich als ein rechter Angriff auf die Gesellschaft. Sondern sie wird analytisch von der Szene des „Rechtsextremismus“ getrennt, was eine offensichtlich falsche Einschätzung ist.

Bei den Betrachtung rechter Gruppen, die sich Staat und Verfassung entziehen wollen, wird ein politisches Milieu häufig übersehen: Der sogenannte rechte „Libertarismus“. Dessen „freiheitliche“ Idee besteht im Wesentlichen darin, dass Besitzende und Reiche andere Menschen ohne jegliche Regulierung durch einen demokratischen Staat beherrschen und ausbeuten können.

So fordern beispielsweise führende Personen der „Atlas – Initiative für Recht und Freiheit“ (kurz: „Atlas-Initiative“), die bis 2022 ihren Sitz in Frankfurt hatte, die Auflösung aller Reste des Sozialstaates und sie stellen das allgemeine Wahlrecht in Frage, indem sie beispielsweise Empfänger*innen staatlicher Transferleistungen davon ausschließen wollen. Sie proklamieren die Schaffung von außerstaatlichen „Privatstädten“ und Sonderzonen, in denen sich die herrschende, über Besitz und Reichtum verfügende Elite eigene Exekutive, Legislative und Gesetze schafft. Die Protagonist*innen dieser Ideen sitzen in Frankfurt und anderen Orten in den Führungsgremien diverser Unternehmen, in Anwaltskanzleien oder Kunstgalerien. Sie sind politisch erheblich einflussreicher als die Gruppe des KRD.

Für den Geheimdienst sind die erklärten Staats- und Verfassungsfeinde der Atlas-Initiative und ihr nahe stehender Gruppen, anders als jene von „Königreich Deutschland“, bislang kein Thema. Für die Öffentlichkeit, die sich heute in Anbetracht der Reichsbürgerbewegung um die Stabilität des Staates sorgt, sollten sie es jedoch sein.

Aus einer emanzipatorischen Perspektive müssen Ideologien der Ungleichwertigkeit ohnehin vor dem Hintergrund be- und verurteilt werden, wie sie Gesellschaft hierarchisieren, spalten und zersetzen – und nicht im Hinblick darauf, welches Verhältnis sie zum Staat und seinen Institutionen haben.

Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien, 22.12.2022