Zuerst erschienen bei der Hessenschau.

Polizisten eines Frankfurter Reviers sollen rassistische und antisemitische Inhalte in einer Chatgruppe ausgetauscht haben. Das Landgericht hält das nicht für strafbar. Teile der Inhalte fielen unter Satire. Die Linke im Landtag ist empört.

Die fünf Polizisten des 1. Frankfurter Reviers und eine weitere Frau sollen in einer WhatsApp-Gruppe menschenverachtende Inhalte ausgetauscht haben. Vor Gericht müssen sie deshalb aber vermutlich nicht. Das Landgericht Frankfurt ließ die Anklage gegen die sechs mutmaßlichen Mitglieder einer rechtsextremen Chatgruppe nicht zu. Das bestätigten Gericht und Staatsanwaltschaft.

Nach dem Gerichtsbeschluss vom 13. Februar sind die Inhalte deshalb nicht strafbar, weil sie nicht verbreitet worden sind. Das Versenden innerhalb der Gruppe reicht dafür nach Überzeugung des Gerichts alleine nicht aus. Es argumentiert aber auch mit dem Grundgesetz und dem Recht auf Meinungsfreiheit. Teile der Inhalte fielen unter Satire und seien von der Kunstfreiheit gedeckt. 

Außerdem habe die Chatgruppe aus maximal zehn Mitgliedern bestanden und sei genau nicht darauf ausgelegt gewesen, dass andere an den Inhalten teilhaben. Zudem habe es eine Art Aufnahmeritual gegeben.

Rassistische und antisemitische Inhalte ausgetauscht

Die Staatsanwaltschaft sagt dagegen, in der 2014 gegründeten WhatsApp-Gruppe mit dem Chatnamen „Itiotentreff“ seien 102 rechtsextremistische, rassistische, antisemitische und menschenverachtende Fotos und Videos verbreitet worden. Darauf würden vor allem Menschen mit Einschränkungen oder Migrationshintergrund, Homosexuelle, Juden und Muslime beleidigt, verleumdet und verächtlich gemacht. Die Staatsanwaltschaft hatte im April 2022 Anklage erhoben.

Die Gruppe soll nach hr-Informationen unter anderem voller Hitler-Darstellungen, Hakenkreuzen und weiteren nationalsozialistischen Symbolen sowie Verharmlosungen des Holocausts gewesen sein.

Staatsanwaltschaft hat Beschwerde eingelegt

Gegen den Nichteröffnungs-Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Das Oberlandesgericht kann nun entweder den Beschluss des Landgerichts bestätigen oder die Hauptverhandlung eröffnen – sprich, die Anklage zulassen. Dann müsste genau die Kammer, die sie nicht zugelassen hat, darüber in einem Prozess verhandeln.

„Das ist am Ende eine Entscheidung der unabhängigen Justiz“, sagte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) über die Nichtzulassung der Anklage. Die Inhalte, die in der Chatgruppe geteilt worden sind, seien „völlig inakzeptabel“ und hätten „keinen Boden auf der hessischen Polizei“, betonte der Minister. „Die sind mit den Werten der hessischen Polizei an keinem Punkt vereinbar.“

Beschäftigte der Polizei, die Bilder aus der Chatgruppe zu Schulungszwecken gesehen hätten, seien erschüttert gewesen von dem, was die Kollegen dort geteilt hätten, sagte Beuth. „Das ist mit den Werten der hessischen Polizei nicht übereinzubringen.“ Er verwies auf Bemühungen des Landes Hessen, auf Bundesebene Gesetze zu verschärfen. Demnach sollen volksverhetzende Aussagen von Beamten im Gesetz schärfer beurteilt werden können. Dies sei bislang nicht umgesetzt, der Ball liege bei der Bundesinnenministerin, sagte Beuth.

Linke: „Freifahrtschein für Gewaltfantasien“

Empörte Kritik rief die Entscheidung des Gerichts bei der Fraktion der Linken im Landtag hervor. Ihr Innenexperte Torsten Felstehausen sagte, der Verweis auf Satire und Kunstfreiheit in der Begründung sei angesichts der Verhöhnung von Opfern der Shoah „völlig inakzeptabel“.

Felstehausen befand: „Das lässt einen kopfschüttelnd zurück.“ Hier werde „ein Freifahrtschein für schlimmste Gewalt- und Vernichtungsfantasien ausgestellt“. Der Rechtstaat dürfe aber keinen Zweifel daran lassen, dass es bei Angriffen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt keinen Ermessensspielraum gebe – „egal ob es auf der Straße, in der Kneipe oder in einem Polizeirevier passiert“. Und gerade bei Polizisten müsse eindeutig sein, dass sie vorbehaltlos für die Werte unserer Gesellschaft eintreten.

Ermittlungen nach Drohschreiben

Auf die Polizisten waren die eigenen Kollegen erst im Sommer 2018 gestoßen, nachdem die Frankfurter Rechtsanwältin Basay-Yildiz Drohschreiben mit dem Kürzel NSU 2.0 erhalten hatte. Ihre Daten waren im 1. Revier abgerufen worden. Weitere Ermittlungen führten dann zu der Chatgruppe. Die Polizisten waren damals suspendiert worden. Vier Jahre dauerten die Ermittlungen, im nächsten Jahr droht die Verjährung der ersten Fälle. 

Im Fall der NSU 2.0-Drohschreiben verurteilte im November 2022 das Landgericht Frankfurt einen Mann aus Berlin zu mehr als fünf Jahren Haft.