Mit Bezug zu Frankfurt gefunden auf Indymedia.org:

Widerstand allen Menschenfeind*innen – zur ausbleibenden Haltung gegenüber TERFs in Frankfurts radikaler Linken

Am 25.01.2023 soll eine selbsternannte „Radikalfeministin“, in linken Kreisen besser bekannt als „TERF“ (Trans-Exclusionary Radical Feminist), Opfer eines Angriffs auf dem alten Uni-Campus in Frankfurt-Bockenheim geworden sein.

Alleine die FAZ widmete dem angeblichen Vorfall inzwischen drei Artikel, und auch andere einschlägige Blätter nahmen dies zum Anlass der selbstgeschaffenen Opferstilisierung von TERFs beizupflichten. Unter anderem berichteten inzwischen BILD („Frau von Transgender-Kämpfern wegen Klo verprügelt“), PLEITETICKER („Trans-Aktivisten prügeln Studentin mit Teleskop-Stock blutig“), Freilich („Frankfurter Studentin von Transgender-Aktivisten blutig geschlagen“) und CICERO („Wenn eine Frauen-Flagge als Provokation empfunden wird“) über den angeblichen Vorfall. Dass die Darstellungen der angeblich Geschädigten (leider) völlig erfunden sind, ist nach Nennung der Veröffentlichungsplattformen wohl überflüssig zu erwähnen.

 Dennoch sei hier kurz klargestellt: Die Menschenfeindin wurde weder verprügelt, noch von 12-„Trans-Aktivisten“ bedroht.

 Stattdessen wurde sie, nachdem sie diverse diskriminierende Aussagen getroffen hatte und transfeindliche Sticker, unter anderem auf Trans-Day-of-Remembrance Plakaten, hinterlies, des Studierendenhauses verwiesen. Anschließend ließen sich Menschen auf eine inhaltliche Diskussion mit ihr ein, woraufhin sie durch eine von Trans-/Queerfeindlichkeit-betroffenen Person, mit teilweiser verbaler Unterstützung anderer, verscheucht und ihres Fahnenstocks erleichtert wurde.

 Nicht erst durch diesen Vorfall wird deutlich: Der linken Szene in Frankfurt fehlt eine Auseinandersetzung mit – und eine klare Positionierung gegenüber – TERFs. Dass sich eine TERF samt Flagge und Propaganda-Material alleine in einen linken Raum in Bockenheim traut und statt auf unmittelbaren Widerstand auf Diskussionspartner*innen stößt, ist Ausdruck dieses Missstandes.

Der Folgende Text soll Anstoß zu einer tieferen theoertischen und praktischen Auseinandersetzung mit dieser Leerstelle sein.

Ich will an dieser Stelle explizit dazu ermuntern, andere Debattenbeiträge zu veröffentlichen, solidarische Kritik zu üben und den Diskurs weiter zu vertiefen.

Feminismus für Priviligierte

Basis der Ideolgie von TERFs ist zu Großteilen der „second wave feminism“. War dieser zur Entstehungszeit der 1970er und 80er noch eine Weiterentwicklung des „first wave feminism“, der sich fast ausschließlich mit legalistischen, in der Staatsordnung verhafteten Forderungen auseinandersetzte (Frauenwahlrecht), ist er inzwischen in weiten Teilen überholt. Kernkritik des „second wave feminism“ ist heute die unvollständige Analyse von vergeschlechtlichter Diskriminierung, die diese als primäre Unterdrückungsform sieht und auf bio-essentialistische Konstruktion von Geschlecht reduziert (also die Zuschreibung von Eigenschaften, die auf willkürlich ausgewählten biologischen Kategorien beruht, hier häufig: Chromosome, Hormone, Genitalien etc.) und somit angebliche binär-biologische Hierarchien manifestiert. Folge dessen ist eine unterkomplexe Analyse, die insbesondere Menschen, die von diversen strukturellen Diskriminerungshorizonten betroffen sind, ausklammert.

Kurzum: Der second-wave Feminismus ist vornehmlich ein Feminismus für privilegierte weiße cis Frauen, der im besten Fall Perspektiven von BIPoC, Jüd*innen und Queers auslässt, nicht selten diese in Folge ihrer Analyse aber aktiv diskriminiert. Wenig überraschend gibt es inzwischen, mehr als 50 Jahre später, unzählige Aufarbeitungen und Weiterentwicklungen. 

FaschistInnen und TERFs Hand in Hand

Auch ohne tiefergehende theoretische Analyse der Ideologie von TERFs fällt auf: Erstaunlich häufig finden sich Allianzen zwischen ihnen und rechten bis faschistischen Kräften. Die Besipiele sind zahllos und global.

Besonders erfolgreich ist diese Zusammenarbeit in den USA, wo fundamentalistische ChristInnen, Republikaner, die alt-right und TERFs gemeinschaftlich an einer weiteren Einschränkung von Selbstbestimmungsrechten und medizinischer Grundversorgung von Queers und Trans-Personen gearbeitet haben. In Texas, in welchem die medizinische Versorgung von jugendlichen Trans-Personen inzwischen als Kindsmisshandlung geahndet wird und eine Erstellung eines Registers von Menschen, die ihren Geschlechtseintrag änderten, nur an Formalia scheiterte, fliehen auf Grund von untragbaren Lebensumständen immer mehr von Queer- und Transfeindlichkeit Betroffene. Dass auch hier die Einschränkung der Rechte von Queers mit dem massiven Abbau von (auch cis) Frauenrechten einhergeht, zeigt sich unteranderem am inzwischen geltenden Abtreibungsverbot. (Hier eine Leseempfehlung zum feministischen Widerstand in Texas: https://janesrevenge.noblogs.org)

Doch auch in Europa haben Allianzen zwischen selbsternannten „Radikalfeministinnen“ und konservativen, fundamentalistischen ChristInnen und Rechtsradiaklen bereits enorme Auswirkungen. Beispielsweise in Polen, in welchem Queers und Trans-Personen nicht als Menschen, sondern als Teil einer „Gender-Ideologie“ gesehen werden. Hier gibt es bereits seit mehreren Jahren sogenannte „LGBTQ-freie Zonen“, eine steigende Anzahl von Angriffen auf Queers und immer größere Demonstrationen von Queer- und Transhassenden.

Und auch in Deutschland zeichnet sich ein zunehmender Ausbau von Zusammenarbeit zwischen Rechten und TERFs ab. Bekanntes Beispiel ist die in der BRD berühmte „alt-Feministin“ Alice Schwarzer. Die besonders durch ihren offenen Rassismus und ihren Hass auf Trans-Personen Anklang in diversen antiemanzipatorischen politischen Strömungen findet.

Deutlich wird der Zusammenhang zwischen der Ideolgie der TERFs und radikal rechten Kräften unter anderem anhand ähnlich autoritären Ansprüchen. Bspw. der Regulation von Körpern anhand angeblich sichtbarer biologischer Merkmale – und den Ausschluss von Menschen aus Räumen anhand willkürlich zugeschriebener Kategorien statt anhand von Verhaltensweisen.

Dies gilt es nicht nur zu problematisieren, wenn TERFs die vom Patriarchat geschaffenen Kategorien benutzen, um Menschen aus Räumen auszuschließen, sondern auch, wenn dies Kontinuität in vermeintlichen FLINTA*-only-Räumen hat. Das bedeutet, den Begriff nicht Synonym für (cis-) Frauen zu nutzen, sondern auch Männer im FLINTA* Begriff zu inkludieren.

Ebenso ersichtlich wird dies anhand gemeinsamer Rhetorik. Es ist kein Zufall, dass sowohl radikal rechte Kräfte als auch TERFs von „Gender Ideolgie“ sprechen. Dass innerhalb beider Strömungen immer wieder eine Gleichsetzung von Trans-Personen und Tätern sexualisierter Gewalt (im besonderen Maße an Kindern) stattfindet, und auch dass Herbeifabulieren einer, nicht selten mit antisemitischen Weltherrschaftserzählungen verbundenen, „Trans-Lobby“, entsteht nicht unabhängig von einer erstarkenden Rechten. Beide sehen die pure Existenz von Trans-Personen, im besonderen Maße Trans-Frauen, als Bedrohung und bekämpfen diese immer häufiger auch mit physischer Gewalt.

TERFS und Rechte in Frankfurt

Auch in Frankfurt zeigte sich: Die selbsternannte „Radikalfeministin“ suchte aktiv Kontakt zu bekannten anti-feministischen, rechten Medien und lies Photos von sich für die BILD machen. Ebenso deutlich wird diese Verbindung auf dem Instagram Account @Radfemffm, auf welchem sich die oben genannten, überschneidenden rhetorischen Beispiele zeigen.

Klar ist: So viel wir wissen, ist die Frankfurter TERF-Szene klein und kaum handlungsfähig. Trotzdem zeigt eben dieser Fall, aber auch die sich weltweit zuspitzenden Verhältnisse immer wieder, eine radikal linke Auseinandersetzung mit ihnen ist unabdingbar. TERFs sind nicht nur ein Internetphänomen. Sie sind real und tragen maßgeblich zur globalen Erstarkung einer queer- und transfeindlichen Bewegung bei.

 Seit 2008, gab es mehr als 4.400 statistisch erfasste Morde an Trans- und Gender-nicht-konformen Personen weltweit. Tendenz, insbesondere in Europa, steigend.

 Das passiert nicht im luftleeren Raum, auch nicht in Frankfurt. Seit Jahren gibt es Angriffe auf offener Straße, in besonderen Maße Trans-Frauen betreffend. So gab es alleine im April 2022 drei körperliche Angriffe auf Trans-Frauen in der Innenstadt. Dass in der radikal linken Bewegung in Frankfurt dennoch kaum Auseinadersetzung mit dieser Entwicklung erfolgt, ist nicht nur Ausdruck von struktureller Queer- und Transfeindlichkeit. Sondern auch unserer generellen theoretischen wie praktischen Perspektiv- und Alternativlosigkeit. Dass eine derart atomisierte (feministische) Szene der erstarkenden antifeministischen Queerfeindlichkeit und der zunehmenden kapitalistischen Vereinnahmung von queeren kämpfen kaum etwas entgegensetzen kann, ist traurig, aber wenig überraschend.

 Dass Betroffene von queerfeindlicher Gewalt, statt den Bruch mit dem System zu suchen, nicht selten mehr Polizeipräsenz und mehr (partei-)politische Repräsentanz fordern, ist meines Erachtens nach teilweise auf ähnliche Missstände zurückzuführen, wie jene, welche die radikale linke Szene derart weiß halten. An existierende (radikale) Kämpfe wird nicht angeknüpft, sich garnicht erst damit in Verbindung gesetzt, geschweige denn sich als Teil dieser gesehen. Solange keine Auseinandersetzung mit struktureller Diskriminierung innerhalb der linken Szene stattfindet, die über die Scheinbehandlung für moralische Absolution hinausgeht, kann kaum eine gemeinsame Alternative mit Betroffenen aufgebaut werden. Solange keine Kompliz*innenschaft innerhalb konkreter Situationen vorhanden ist, kann sich diese auch nicht im gemeinsamen Kampf widerspiegeln. Dass auf Staat- und Polizeiapparat kein Verlass ist, ist vielen Menschen bewusst, solange diese aber auch in der radikalen Szene keine Anknüpfungspunkte finden, ist die Abarbeitung an jenen zahnlos.

Und nun?

Wäre die Lösung für all diese Missstände bereits greifbar, hätte ich mir und euch diesen Text wohl erspart.

Klar ist aber, Anfang jeder Lösung ist die Benennung der, und ein Diskurs über die Probleme. Uns muss klar sein, beim Konflikt mit TERFs handelt es sich nicht um einen innerlinken Ideologie-Konflikt, nicht um ein Internetphänomen und auch nicht um einen Nebenkonflikt. Es geht nicht nur um Toiletten und auch nicht um Queer-Partys. Der Konflikt zwischen uns und TERFs muss immer einer von Feminismus und Anti-Feminismus sein. Wer Menschenfeind ist muss von uns auch als solcher behandelt werden.

Auf persönlicher Ebene bedeutet dass: Redet miteinander. Sprecht mit euren Genoss*innen, Freund*innen und Kompliz*innen über den praktischen Umgang mit TERFS bevor es zu einem Aufeinandertreffen kommt. Versteckt euch nicht hinter Allyship oder sonstigen liberalen Konstrukten. Seid Kompliz*innen, die nicht hinter Betroffenen zurückfallen. Seid wütend! Denn TERFs sind auch eure Feindinnen.

(Hier dahingehend eine Leseempfehlung: https://www.indigenousaction.org/accomplices-not-allies-abolishing-the-a…)

 Auf breiterer Ebene müssen wir uns als Frankfurter radikale Linke klarer positionieren. Deutlich machen, dass uns bewusst ist, wer Feind*in ist und dass, wer sich als Menschenfeind*in zu erkennen gibt, auch dementsprechend behandelt wird. Auch und besonders dann, wenn das bedeutet vermeintliche Genoss*innen zu kritisieren.

Grundlage dafür ist, wie überall sonst auch, eine tiefere theoretische Auseinandersetzung. Eine ernsthafte Kritik an bürgerlich-liberalen Auswüchsen der queeren und feministischen Bewegung, ohne auf queerfeindliche Ressentiments zurück zu fallen und eine Auseinadersetzung mit einem anti-autoritären, radikal-emanzipatorischen, das rassistische hetero-, cis-Patriarchat überwindenden Feminismus.

Aber vorallem ein in Aktion treten, auch ohne direkt ersichtlichen Betroffenheitshorizont. Für mich naheliegend sind realitätsnahe Aktionstrainings. Solche die nicht auf letztlich konstruierte Situationen wie jene im Schwarzen-Block abzielen, sondern auf eine kontinuierliche Beschäftigung mit der Alltagsrealität von Betroffenen von Queer- und Transfeindlichkeit sowie von Antisemitismus und Rassismus. Die Erkenntniss, dass diese Gewalt für viele strukturell sowie alltäglich ist, muss zwangsläufig auch zu einer strukturellen und alltäglichen Auseinandersetzung bzw. Vorbereitung führen. Wehrhaftigkeit muss gemeinsam geübt werden. Und das nicht nur in Selbstverteidigungstrainings sondern auch mit Austausch untereinander in Verteidigungstrainings für Andere.

Natürlich lässt sich die praktische Auseinandersetzung mit TERFs und ihren menschenfeindlichen Freund*innen nicht auf (körperlichen) Aktionismus reduzieren. Es gibt eine Vielzahl von Handlungsalternativen, die alle ausgeschöpft werden müssen. Besonders wenn es um „linke“ Räume geht, denn diese müssen immer wieder gemeinsam erkämpft und verteidigt werden.

Eine radikale Linke, die immer wieder ihr Bewusstsein für die Notwendigkeit von Militanz artikuliert, darf nicht hinter der Anti-Propaganda rechter Medien zurückfallen, die sich aktuell militante Aktionen unter anderem gegen TERFs ausdenken müssen. Es gilt diese Trans- und Queerfeindlichen Einzelpersonen sowie Strukturen und ihre Allianzen mit reaktionären Medien und organisierten rechten bis faschistischen Kräften aus ihrer Opferrolle herauszuholen und sie als das zu konfrontieren was sie sind: Menschenfeindlich.