Stellungnahme zur Anklageerhebung
Für Paula, Emmi, Clara, Luca, Nele und Moritz ist es nun soweit: die Anklageschrift ist da. Das Ganze ist eine einzige Schweinerei, hier unsere Einordnungen dazu.
Wahl des Gerichtes
Wie den Medien bereits zu entnehmen war, ist ab jetzt, nicht wie angenommen Dresden oder Jena zuständig, sondern das OLG Düsseldorf. Nochmal zur Erinnerung: die meisten der sechs Beschuldigten kommen aus Leipzig und Jena, haben hier Freunde, Familie, gewohntes Umfeld.
Die Wahl des OLG Düsseldorfs ist eine klar politische. Man möchte es den Angehörigen und Freund:innen so schwer wie möglich machen, ihre Lieben im Knast zu besuchen und zu unterstützen. Für viele von ihnen bedeutet das ab jetzt mehr als 6 Stunden Fahrt für einen Besuch und dann wieder zurück. Wer das finanziell nicht hin bekommt, kann auf der Strecke bleiben.
Außerdem soll so die vor Ort stattfindende Soliarbeit unterbunden werden. Ein weiterer Schritt um die Gefangenen und ihre solidarischen Umfelder zu brechen und zu vereinzeln.
Weiterhin bedeutet die Auswahl eines Oberlandesgerichtes, dass der Tat besonderes öffentliches Interesse zugeschrieben wird, Straftaten, bei denen es um staatsfeindliche Ideologie geht werden hier verhandelt.
Es zeigt sich: der Budapest-Komplex wird einmal mehr zum ‚großen Schlag gegen die gefährlichen Linksextremen‘ hochstilisiert. Dazu können wir nur sagen, dass wir und die Angehörigen auch diesmal stärker sein werden als diese neue Hürde. Egal, was ihr uns in den Weg legt, wir lassen die Gefangenen nicht allein!
129, das kennen wir schon…
Here we go again…
Mit der Fortführung der herbeifantasierten sogenannten kriminellen Vereinigung geht es selbstverständlich auch in der neuen Anklageschrift weiter. Der allseits beliebte Schnüffelparagraph wurde, wie zu erwarten, in voller Bandbreite ausgenutzt. Es werden sich Finanzierungsmaßnahmen herbeigelogen, dass sich die Balken biegen. Wie intensiv die Privatssphären der Gefangenen und ihrer Angehörigen und Umfelder missachtet und ausgenommen wurden, ist uns im Detail noch unklar.
Offensichtlich ist aber, dass die Überwachung über Jahre hinweg auf einem Niveau stattgefunden hat, von dem einige Hauptcharaktere aus Hollywood-Agenten-Streifen nicht zu träumen wagen. Diese konstruierte Kontaktschuld und ihre Folgen, werden wir in nächster Zeit noch einmal genauer beleuchten.
Wir meinen es also ernst, wenn wir sagen: Weg mit den Paragraphen 129, 129a und 129b! Lasst Beschuldigte, Familien und Freundeskreise endlich in Frieden!
Mordanklage? Kampfansage!
Wie schon in Hannas Anklage, als auch in der Antifa-Ost-Anklage vom 05.Juni 2025 werden viele der vorgeworfenen Taten als versuchte Tötungsdelikte angeklagt. Etwas anderes als ein kompletter Realitätsverlust der Bundesanwaltschaft ist darin schwer zu sehen. Doch auch hier verbergen sich politische Narrative.
Allein die Vermutung, ein Mord könne im Raum stehen, macht Angst, soll dazu führen, dass Menschen sich entsolidarisieren und abwenden. Dabei ist auch der Bundesanwaltschaft ganz klar, dass es sich hierbei in keiner Weise um ein versuchtes Tötungsdelikt handelt – bei Hanna, genau wie bei allen anderen Beschuldigten!
Selbst der Ermittlungsrichter des BGH stellte die Haftbefehle nicht wegen eines versuchten Tötungsdeliktes aus, da hierfür kein dringender Tatverdacht vorhanden sei, und in Budapest ist eine solche Tat nicht einmal angeklagt. Die Verteidiger:innen der Beschuldigten kritisierten dieses Vorgehen scharf. Die Angst vorm Antifaschismus ist also groß. Wir können hier nur nochmal auf das Statement einiger aufgetauchter Antifaschist:innen verweisen, in dem es heißt:
„Der Vorwurf versuchter Tötungsdelikte, der vom Generalbundesanwalt gegen einige von uns erhoben wird, ist eine politisch motivierte Eskalation und an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Er dient – ähnlich wie der Vereinigungsvorwurf – der Abschreckung und Legitimation des Vorgehens gegen antifaschistische Praxis. Es ist offensichtlich, dass die gegenwärtige antifaschistische Bewegung nicht darauf ausgerichtet ist, Nazis zu töten – und das ist auch dem Generalbundesanwalt bekannt.“
Diesen Worten ist von unserer Seite kaum noch etwas hinzuzufügen, außer der Aufruf, nicht auf die Abschreckungskampagne der deutschen Justiz reinzufallen, ihre Lügen nicht zu glauben!
Das System ist der Verbrecher!
Bleibt oder werdet solidarisch!
Antifaschismus ist notwendig!
BASC
Zuerst erschienen bei der Taz.
Die nächste Anklagerunde der Bundesanwaltschaft gegen die linksradikale Szene ist da: Die oberste Ermittlungsbehörde hat nun sechs Linke angeklagt, denen vorgeworfen wird, im Februar 2023 in Budapest mehrere Rechtsextreme schwer angegriffen zu haben. Die Vorwürfe lauten in zwei Fällen auch auf versuchten Mord. Verhandelt werden soll der Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
Das Oberlandesgericht und die Bundesanwaltschaft bestätigten der taz die Anklagen. Es gehe um die Vorwürfe der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der gefährlichen Körperverletzung und des versuchten Mordes. Weiter wollten sie sich nicht äußern. Auch mehrere Verteidiger*innen der Beschuldigten bestätigten die Anklage – und kritisierten die Vorwürfe als überzogen.
Die sechs nun angeklagten Linken – Clara W., Luca S., Moritz S., Nele A., Paula P. und Emilie D. – lebten zuletzt in Thüringen und Sachsen und waren nach den Angriffen in Budapest fast zwei Jahre abgetaucht. Zu Jahresbeginn hatten sie sich dann freiwillig der Polizei gestellt. Sie sitzen seitdem in Gefängnissen in Sachsen und Hamburg in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wählte Düsseldorf als Prozessort offenbar, weil sich in Nordrhein-Westfalen zwei der Beschuldigten stellten, in Köln und Hamm – und weil vor dem ebenfalls diskutierten Oberlandesgericht Dresden demnächst bereits ein anderer Großprozess gegen Linksradikale startet.
Laut Anklage sollen die nun Beschuldigten mit anderen Autonomen rund um den „Tag der Ehre“, zu dem sich alljährlich Neonazis aus ganz Europa treffen, fünf Angriffe auf Rechtsextreme verübt haben. Die Opfer seien zunächst ausgespäht und dann aus einer Gruppe Vermummter heraus auch mit Schlagstöcken attackiert worden. Sie hätten Knochenbrüche und Kopfverletzungen erlitten. Zwei der Angriffe waren laut Anklage so schwer, dass sie als versuchter Mord eingestuft werden. Einzelnen der nun Angeklagten werden nach taz-Informationen auch Vorbereitungshandlungen für die Angriffe vorgeworfen und eine Attacke auf Neonazis auch in Deutschland.
War es versuchter Mord?
Die Verteidiger*innen der Beschuldigten halten den Vorwurf des versuchten Mordes für überzogen. „Selbst die drakonische, politisch agierende ungarische Justiz hat bei diesen Taten gerade keinen Tötungsvorsatz gesehen“, heißt es in einer Erklärung. Zudem habe auch der Bundesgerichtshof zuletzt beim Erlass von Haftbefehlen gegen die Beschuldigten den Vorwurf des versuchten Mordes abgelehnt. „Dass der Generalbundesanwalt dennoch von einem Tötungsvorsatz ausgeht, ist bedenklich und lässt befürchten, dass dem eine politische Motivation zu Grunde liegt“, so die Anwält*innen. Sie forderten das Oberlandesgericht Düsseldorf auf, in diesem Punkt die Anklage nicht zuzulassen.
Auch dass der Prozess in Düsseldorf verhandelt wird, kritisieren die Verteidiger*innen. Die meisten Beschuldigten hätten ihre sozialen Bindungen nach Thüringen, betonen sie. Offenbar aber wolle die Bundesanwaltschaft die dort bestehende Solidarität mit den Inhaftierten vermeiden. Zuletzt hatten auf einer Demonstration in Jena mehrere tausend Linke für die inhaftierten Antifaschist*innen demonstriert.
Zudem, so die Anwält*innen, wolle die Bundesanwaltschaft wohl der Thematisierung aus dem Weg gehen, dass rechte Übergriffe in Thüringen Alltag seien. „In Anbetracht dieser Verhältnisse würde sich die Frage der Legitimität einer derart überzogenen Anklage ganz konkret stellen“, heißt es in der Erklärung.
Einem Linken droht weiter die Auslieferung nach Ungarn
Den nun Angeklagten drohte anfangs auch eine Auslieferung nach Ungarn. Die Bundesanwaltschaft hatte dann aber betont, dass sie es für vorrangig hält, dass die Verfahren in Deutschland geführt werden. Einzig im Fall des 21-jährigen Nürnbergers Zaid A., der sich ebenfalls im Januar stellte, erfolgte diese Ansage nicht – weil dieser syrischer Staatsbürger ist und die Bundesanwaltschaft sich für seinen Fall nicht zuständig sieht. Ihm droht daher weiterhin eine Auslieferung nach Ungarn, eine Gerichtsentscheidung dazu steht noch aus. Weil sich das Verfahren so lange zieht, ist Zaid A. derzeit haftverschont.
Die Anwält*innen der nun Angeklagten forderten, auch die Untersuchungshaft für ihre Mandant*innen aufzuheben. Eine erneute Fluchtgefahr sei abwegig, da sich die Beschuldigten zu Jahresbeginn ja „in Kenntnis der Vorwürfe freiwillig gestellt“ hätten.
Bereits zuletzt hatte die Bundesanwaltschaft Anklage gegen sieben weitere Autonome erhoben, denen Angriffe auf Rechtsextreme in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen vorgeworfen werden. Sie sollen Teil der Gruppe um die Leipzigerin Lina E. gewesen sein, die bereits mit drei Mitbeschuldigten im Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht Dresden zu einer gut fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde und diese momentan absitzt. Unter den Angeklagten ist auch ihr früherer Lebenspartner Johann G. Ihm und zwei weiteren dieser Beschuldigten wird ebenfalls vorgeworfen, bei den Budapest-Angriffen dabei gewesen zu sein. Dieser Prozess soll erneut in Dresden stattfinden.
Ebenfalls der Budapest-Angriffe beschuldigt ist Maja T. Die nonbinäre Thüringer*in wurde von Zielfahndern bereits im Dezember 2023 in Berlin gefasst und ein halbes Jahr später nach Ungarn ausgeliefert – rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte. Seit Februar läuft gegen Maja T. ein Prozess in Budapest, es drohen bis zu 24 Jahre Haft. Vor einem Monat begann T. einen Hungerstreik, um bessere Haftbedingungen und eine Rücküberstellung nach Deutschland zu erreichen. Am Dienstag wurde T. wegen des Gesundheitszustands in ein Haftkrankenhaus verlegt.
Der Vater von Maja T., Wolfram Jarosch, befindet sich momentan auf einem Protestfußmarsch von Jena, der Heimatstadt der Familie, nach Berlin, wo er am Montag eine Petition mit gut 100.000 Unterschriften, die eine Rücküberstellung von Maja T. nach Deutschland einfordert, an das Bundesaußenministerium von Johann Wadephul (CDU) übergeben will. Wadephul selbst ist an dem Tag in Tschechien. Das Auswärtige Amt wird Jarosch aber wohl empfangen. Politische Möglichkeiten für eine Rückholung sah das Ministerium bisher nicht: Dies müssten ungarische Gerichte entscheiden, hieß es dort zuletzt.