Gastbeitrag von NSU-Watch Hessen

Der Prozess gegen den extrem rechten Bundeswehrsoldaten Franco Albrecht steht fast fünf Jahre nach seiner Verhaftung kurz vor dem Ende. Ihm wird vorgeworfen, Anschläge auf Politiker:innen und Aktivist:innen vorbereitet zu haben. Auch Anschlagspläne auf Antifaschist:innen in Frankfurt und Wien stehen im Raum. So steht auf der Feindesliste von Maximilian Tischer, eines rechten Bundeswehrkameraden von Albrecht, auch der ehemalige Admin-Name von antifa-frankfurt.org.

Dass Antifaschist:innen im Fadenkreuz von Neonazis sind ist nichts Neues. Alle, die sich gegen die extreme Rechte wehren, müssen damit rechnen, dass ihnen Neonazis körperliche Gewalt antun wollen. Gerade Linksradikale unter dem Label Antifa, die dies am offensivsten und teilweise militant machen, sind seit jeher Ziel von rechten Angriffen. In der Regel äußern sich Angriffe in rechter Straßengewalt. Besonders in von Neonazis dominierten Regionen sind Sicherheitskonzepte und Schutzbewaffnung fester Bestandteil des Alltags von Antifaschist:innen. Mitunter planen Neonazis auch organisierte Angriffe auf die linke Szene, etwa wie am 11. Januar 2016 im Leipziger Stadtteil Connewitz, als über 250 Neonazis durch das linksalternative Stadtviertel zogen, linke Läden und migrantische Geschäfte angriffen.

Immer wieder kostet neonazistische Gewalt Antifaschist:innen das Leben. Nur exemplarisch zu nennen wäre die Ermordung von Pavlos Fyssas in Piräus 2013, der von einem Anhänger der griechischen Nazi-Partei „Goldene Morgenröte“ erstochen wurde; die Ermordung des 18-Jährigen Clément Méric in Paris durch französische Neonazis wenige Monate zuvor; oder die Ermordung des Punks Thomas „Schmuddel“ Schulz 2005 durch ein Mitglied der Dortmunder Neonaziszene.

Die rechte Gewalt gegen Antifas zeigt sich jedoch nicht nur in Straßengewalt und spontanen Angriffen. Bei ihren Mordanschlägen gehen extrem Rechte immer wieder planvoll und schwer bewaffnet vor. Fast in Vergessenheit geraten ist der versuchte Bombenanschlag auf zwei Frankfurter Antifaschist:innen und deren Kind im Jahr 2000. Nur durch Zufall ist die Bombe am Auto der Familie mit wenige Monate altem Kind nicht explodiert, die Täter:innen sind bis heute unbekannt.

Rechte Verschwörungsideologien über angeblich bezahlte Antifa

Seit letztem Mai steht der aus Offenbach stammende und in Frankfurt zur Schule gegangene Oberleutnant der Bundeswehr Franco Hans Albrecht vor Gericht in Frankfurt. Dem 33-Jährigen wird vorgeworfen, sich nicht nur fälschlicherweise als Geflüchteter ausgegeben und sich somit eine Tarnidentität verschafft zu haben, sowie Waffen, Munition und Sprengkörper illegal gehortet zu haben, sondern auch die Ermordung von Politiker:innen und linken Aktivist:innen geplant zu haben.

Auch wenn Albrecht selbst vor Gericht seine extrem rechte Gesinnung abstreitet und stets betont „konservativ“ zu sein – wie es in der „Neuen Rechten“ aus strategischen Gründen oft gemacht wird– zeugen unzählige Aussagen und Handlungen von seiner neonazistischen Ideologie. So hielt er Ende 2016 laut Manuskript beispielsweise eine Rede auf einer Veranstaltungen der Münchener extrem rechten Szene, gab ein antisemitisches Pamphlet als Masterarbeit ab und verheimlichte laut anderen Soldaten in der Bundeswehr seine extrem rechte Gesinnung nicht groß. Neben Antifeminismus und einem „neurechten“ bzw., „ethnopluralistischem“ Rassismus, der nicht-weiße Migrant*innen in Deutschland nur duldet, wenn sie sich den „Deutschen“ unterordnen, sticht besonders sein verschwörungsideologischer Antisemitismus hervor, den er regelmäßig im Gerichtssaal erneuert.

Neben anderen ideologischen Fragmenten der extremen Rechten ist Franco Albrecht auch ein ausgeprägter Hass auf Antifaschist:innen zu eigen. Hiervon zeugen Sprachmemos von ihm, die im Gerichtssaal abgespielt wurden. Darin bezeichnet er „die Antifa“ als „SA von heute“ und im Weiteren als „motivierte bezahlte Schlägertrupps“. Das Gefasel verläuft sich in weitere Verschwörungsideologien von einer angeblichen Bezahlung von Antifaschist:innen. Den „tragenden Köpfen der Antifa“ sei gar nicht bewusst, für was sie beauftragt wurden, sie „checken nicht mal, was da los ist“, so Albrecht. Welche dunklen Mächte hinter der Antifa stehen sollen verschweigt Albrecht an dieser Stelle. Bedenkt man seinen ansonsten unverblümten Antisemitismus, ist jedoch nicht schwer zu erraten, wen er meinen könnte.

Granate in Gruppe Antifas werfen lassen“

Das Gefasel über „die Antifa“ als böse bezahlte Schlägergruppe könnte man noch als durchgeknallt aber nicht zwingend gewaltvoll abtun. Schließlich ist es unter Rechten und Querfrontler:innen seit Jahren eine gängige Verschwörungsideologie, das politische Engagement von Antifaschist:innen in ihrem Wahn nur damit erklären zu können, dass Antifaschist:innen von dunklen Mächten im Hintergrund hierfür bezahlt werden müssten. Bedenkt man jedoch Albrechts weitere Pläne und Handlungen, erscheint sein Hass gefährlicher.

Bei seiner Verhaftung im April 2017 beschlagnahmte die Polizei auch ein Notizbuch und ein Stapel an losen Notizzetteln von Albrecht. In diesen fanden sich neben Notizen zu alltäglichen Vorgängen auch Informationen zu dem damaligen Außenminister Heiko Maaß und der Vorsitzenden der Amadeo Antonio Stiftung Annetta Kahane inklusive Adressen. Außerdem waren darunter noch Vermerke zu Plänen, einen Gedenkstein für die Familie Rothschild in Frankfurt zu sprengen, Beleidigungen gegenüber Claudia Roth und die Notiz sie zu „lokalisieren“, Beschreibungen wie Waffen von einem Ort zum anderen zu bringen sind und lose Notizen zu Granaten mutmaßlich aus Tschechien. Neben diesen und weiteren Notizen findet sich darunter auch die Sätze „Antifa-Area Dietzenbach“ und „Gruppe Antifa, Granate Asylant werfen lassen, filmen“.

Albrecht selbst versuchte vor Gericht sich zu rechtfertigen, dass es sich dabei nur um eine Filmidee gehandelt habe, musste jedoch auf Nachfrage zugeben, dass er seit einem kleinen Schulprojekt vor über zehn Jahren nichts mit Film zu tun hatte. Wie akut diese Anschlagsplanung möglicherweise war, wird deutlich wenn man Albrechts klandestine Handlungen bedenkt: Ende 2015 registrierte sich Franco Albrecht unter dem Namen „David Benjamin“ als vor dem IS Geflüchteter aus Syrien. Diese Tarnidentität hielt er bis zu seiner Verhaftung im April 2017 aufrecht, obwohl dies ein Doppelleben mit regelmäßigen Besuchen in der ihm zugeteilten Geflüchtetenunterkunft bedeutete. Zudem fanden sich unter den von ihm illegal besessenen 50 Sprengkörpern und 1000 Schuss Munition, die sein Freund Mathias Fl. für ihn aufbewahrte, auch verschiedene Bestandteile von Handgranaten, darunter Sprengzünder.

Franco Albrecht hatte somit die notwendigen Vorbereitungen für einen „false-flag“-Anschlag auf eine „Gruppe Antifa“ getroffen, wie er ihn selbst in seinen Notizen beschrieb. Ein solcher Anschlag hätte gleich zwei Ziele der extremen Rechten verfolgt: Die Stimmung gegen Geflüchtete in Deutschland wäre nach einem Anschlag eines vermeintlichen Geflüchteten weiter aufgeheizt gewesen und Antifaschist:innen wären umgebracht oder schwer verletzt worden.

Admin von antifa-frankfurt.org auf Feindesliste nach dem Vorbild des Attentäters von Utøya

Dass speziell Frankfurter Antifas potentielles Ziel hessischer extrem Rechter sind, zeigt eine Feindesliste aus dem Umfeld Franco Albrechts. Im Zuge der Ermittlungen gegen diesen wurde auch gegen Maximilian Tischer ermittelt. Tischer war ebenso wie Albrecht Oberleutnant der Bundeswehr in Illkirch. Er ist der Bruder von dessen Lebensgefährtin und stammt aus Seligenstadt im Kreis Offenbach. Seit 2017 arbeitete er für mehrere Jahre als persönlicher Referent des hessischen AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte im Bundestag und ist zudem im Vorstand der AfD-Jugendorganisation in Sachsen-Anhalt.

Als Albrecht im April 2017 festgenommen wurde, wurde u.a. auch Maximilian Tischers Wohung in Straßburg durchsucht und dieser etwas später ebenfalls festgenommen. In Tischers Wohnung wurden dabei zwei Blätter einer Liste gefunden, eins mit der Überschrift „Politik und Medien“, eins mit der Überschrift „Ffm“. Auf dem ersten Blatt mit insgesamt acht Einträgen stehen die Namen von Politiker:innen und Aktivist:innen, darunter der damalige Bundespräsident Joachim Gauck, der damalige Justizminister Heiko Maaß, der Name einer linken Aktivistin, sowie die Namen dreier Politiker:innen von SPD und DIE LINKE – letztere teils mit Adresse. Des Weiteren sind die Rote Hilfe und das Zentrum für politische Schönheit, letzteres mit Namen von zwei dort Aktiven, aufgeführt. Auf dem Blatt „Ffm“ finden sich zwei Einträge: Name und Dienstadresse des damaligen Vorsitzenden der Geflüchtetenhilfsorganisation Pro Asyl, welche in Frankfurt ihren Sitz hat, sowie Name und Adresse, wie sie damals im Impressum von antifa-frankfurt.org angegeben waren.

Hinter den Namen von Personen und Organisationen steht jeweils ein Buchstabe zwischen A und D. Politiker:innen in Berlin werden in A kategorisiert, andere Politiker:innen und Aktivist:innen in B oder C und eine Organisation in D. Was genau es mit dieser Einteilung auf sich hat lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Sehr wahrscheinlich handelt es sich aber um einen Bezug auf den norwegischen Rechtsterroristen, der 2011 in Utøya und Oslo 77 Menschen ermordete. Dieser teilte seine Feindbilder ebenfalls je nach deren politischer Ausrichtung und zugeschriebenem Einfluss in Kategorien von A bis D für einen „neuen Nürnberger Prozess“ ein und schwelgte in Mordphantasien diesen gegenüber. Die Chiffre des „neuen Nürnberger Prozesses“ ist eine Gewaltphantasie, die gerade in den letzten Jahren in Deutschland immer mehr an Popularität gewonnen hat. Auch der norwegische Rechtsterrorist kategorisierte hochrangige Politiker:innen und Medienmacher:innen in Kategorie A ein, während Antifa-Aktivist:innen bei ihm ebenfalls unter B aufgelistet sind, wie in der bei Tischer gefundenen Liste.

Ein direkter Bezug von Franco Albrecht zu der bei Tischer gefundenen Liste lässt sich nicht ausmachen: Albrecht gab im Prozess an, die Liste „Politik und Medien“ zum ersten Mal im Ermittlungsverfahren gesehen zu haben. Laut einem Gutachten des BKA wurde die Liste eindeutig von Maximilian Tischer erstellt, Fingerabdrücke oder sonstige Spuren von Albrecht fanden sich darauf nicht. Der Name von Heiko Maaß fand sich jedoch sowohl auf Tischers Liste als auch in den Notizen von Albrecht, die ein enges berufliches, persönliches und familiäres Verhältnis verband und die sich laut Albrecht über politische Themen austauschten. Auch bei Albrecht lassen sich ebenfalls mögliche Bezüge auf Anders Behring Breivik ausmachen. So sprach Albrecht in einem von ihm aufgenommenen Sprachmemo davon, „Ritterorden“ in der ganzen Welt zu gründen. Ein ähnliches Selbstverständnis von extremen Rechten als (Kreuz-)Ritter ist auch bei Breivik omnipräsent.

Dass das BKA zu der festen Überzeugung gelangte, die Liste mit Namen von u.a. Bundespolitiker:innen sei von Maximilian Tischer erstellt worden, stellte für die Bundestagspolizei keinen Hinderungsgrund dar, Tischer einen Hausausweis auszustellen, als das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt wurde. Somit hatte Tischer, dessen Liste sich mutmaßlich an dem norwegischen Rechtsterroristen orientierte, freien Zugang zum Bundestag.

Anschlagsplanungen auf Antifa-Demo gegen Wiener-Korporierten Ball?

Neben der Nennung des Admins von antifa-frankfurt.org auf einer Feindesliste und den Notizen von Albrecht stehen Mutmaßungen im Raum über einen Anschlagsplan durch Albrecht auf eine Antifa-Demo in Wien im Februar 2017, der möglicherweise nur knapp verhindert wurde.

Franco Albrecht reiste im Januar 2017 gemeinsam mit Maximillian Tischer und dessen Schwester bzw. Albrechts Lebensgefährtin auf Einladung von Maurice R. nach Wien, um dort am 20. Januar am Ball der Offiziere teilzunehmen. Maurice R. ist ein ehemaliger Soldat und heutiger Reservist der Bundeswehr, der in Frankfurt aufwuchs und zur Schule ging. Obwohl er nur wenige Minuten von Albrechts Schule in Frankfurt-Bockenheim entfernt aufwuchs, lernte er Albrecht und Tischer mutmaßlich im Rahmen seiner Tätigkeit als Soldat und bei Reservistenlehrgängen an Albrechts Standort Illkirch kennen. In Wien studierte Maurice R. Psychologie an der Sigmund-Freud-Universität und war in der Studierendenvertretung aktiv. Laut dem Standard bewegt er sich in Burschenschaftler-Kreisen und hat Kontakte zu Mitarbeiter:innen des österreichischen Verteidigungsministeriums. Allgemein scheint Maurice R. in rechte Kreisen gut vernetzt zu sein: Er pflegte Umgang mit dem heutigen FPÖ-Bezirksobmann Clemens Gudenus. Dessen Bruder Johann Gudenus, ist ein enger Vertrauter von Heinz-Christian Strache und international bekannt aus dem „Ibiza“-Video.

Am 22. Januar flogen Franco Albrecht und Maximilian Tischer von Flughafen Wien-Schwechat ab, um von Zürich aus mit dem Auto zurück in ihre Kaserne in Illkirch zu fahren. Kurz vor der Sicherheitskontrolle versteckte Albrecht eine wahrscheinlich Monate zuvor in Frankreich gekaufte Pistole in einem Versorgungsschacht einer Behindertentoilette. Bilder der Toilette und ein Video, wo sich diese im Terminal befand, verschickte er an die Whatts-App-Gruppe zur Wienreise, in der sich auch Maximilian Tischer und Maurice R. befanden. Letzterer antwortete mit einem Smiley auf die Bilder. Direkt davor und danach telefonierten R. und Albrecht miteinander. Wusste Maurice R., was Albrecht auf der Toilette versteckte?

Keine zwei Wochen später, am 3. Februar, flog Albrecht erneut nach Wien. An eben jenem Tag fand der Wiener Akademikerball statt, eines der wichtigsten politischen Ereignisse für rechte Politiker:innen und Antifaschist:innen in Wien. Der seit Jahrzehnten bestehende und seit 2013 von der rechten FPÖ ausgerichtete Ball ist jedes Jahr aufs Neue Treffpunkt für rechte und extrem rechte Politiker:innen und Aktivist:innen. Seit Jahren organisieren Antifaschist:innen in Wien große Gegendemonstrationen gegen den Ball. 2017 nahmen über 3000 Personen an den Demos teil. Durch Auseinandersetzungen mit und Angriffe durch die Polizei kommt es bei den Demonstrationen immer wieder zu unübersichtlichen Situationen, während zugleich österreichische und internationale Medien vor Ort sind und berichten. Nahezu perfekte Ausgangsbedingungen für einen medienwirksamen Anschlag.

Just am Tag des Balls flog Albrecht nun erneut nach Wien und versuchte, die deponierte Waffe aus ihrem Versteck zu holen. Zuvor kontaktierte er Maurice R. und informierte diesen über seinen Besuch. Die Waffe wurde in der Zwischenzeit von einer Servicekraft des Flughafens entdeckt, die Polizei stellte Albrecht eine Falle und nahm ihn kurzzeitig fest. In der anschließenden Vernehmung gab Albrecht an, nach Wien gereist zu sein, um den Ball zu besuchen. Später widerrief er diese Aussage.

Bedenkt man Albrechts Notizen zu einem Anschlag auf Antifas unter „falscher Flagge“ und den Versuch, die deponierte Waffe ausgerechnet am Tag der Demonstrationen gegen den rechten Ball aus ihrem Versteck zu holen, sowie Albrechts erste Aussage, zu eben diesem Ball zu wollen, liegt der Verdacht nahe, dass Franco Albrecht einen Anschlag geplant haben könnte wie er ihn schon zuvor durchdachte und dieser nur durch Zufall knapp verhindert wurde.

Der Prozess gegen Franco Albrecht wird in wenigen Wochen enden und eine Aufklärung zu seinen möglichen Anschlagsplänen wird es dort nicht geben. Nicht einmal Maurice R. wurde vom Gericht geladen um diesen zu vernehmen. Eine juristische Aufarbeitung, wie konkret die mutmaßlichen Anschlagspläne von Franco Albrecht waren und wie kurz vor ihrer Ausführung sie gestoppt wurden, rückt damit in weite Ferne. Doch macht der Komplex um Franco Albrecht erneut deutlich, wie sehr Antifaschist:innen ein Feindbild für die extreme Rechte sind und zu welchen Mitteln RechtsterroristInnen bereit sind zu greifen.