Berlin taz | Bis heute fordert Ungarn seine Auslieferung, wegen vorgeworfener Angriffe auf Rechtsextreme in Budapest im Februar 2023. Nun floh der Nürnberger Zaid A. nach Frankreich – und stellte sich dort am Mittwoch der Polizei in Paris. Das bestätigte dessen Umfeld, sowie sein französischer Anwalt und seine deutsche Anwältin der taz.

Er sei am Mittwochmorgen mit Zaid A. zur Polizeistation in Paris gegangen, die für die Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen zuständig sei, sagte A.s französischer Anwalt Youri Krassoulia der taz. Der 22-Jährige sei dann nach einer vorläufigen Prüfung seines Falls unter Auflagen haftverschont worden. Er müsse sich nun regelmäßig bei der Polizei melden, bevor französische Gerichte über seine Auslieferung entscheiden. Krassoulia zeigte sich „sehr froh“ über die Haftverschonung. Nun gehe es darum, eine Auslieferung von Zaid A. nach Ungarn zu verhindern.

Ungarische Sicherheitsbehörden werfen Zaid A. vor, mit anderen Linksradikalen im Februar 2023 in Budapest Teilnehmende des „Tags der Ehre“, einem Aufmarsch von Neonazis aus ganz Europa, angegriffen und schwer verletzt zu haben. Zaid A. und mehrere andere Deutsche waren darauf fast zwei Jahre abgetaucht. Zu Jahresbeginn aber stellten sich acht der Gesuchten der Polizei in Deutschland.

Anders als bei den anderen Beschuldigten zog die Bundesanwaltschaft den Fall von Zaid A. aber nicht an sich – weil dieser zwar in Nürnberg aufgewachsen, aber ein syrischer Staatsbürger ist. Die Ermittlungsbehörde sieht sich für seinen Fall deshalb nicht zuständig. Aus diesem Grund sprach sich die Bundesanwaltschaft auch nicht gegen eine Auslieferung von Zaid A. nach Ungarn aus.

In Ungarn drohen bis zu 24 Jahre Haft

Dem 22-Jährigen drohte deshalb bis zuletzt die Auslieferung von Deutschland nach Ungarn – so wie es im Juni vergangenen Jahres mit der nonbinären Ak­ti­vis­t*in Maja T. geschah. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Auslieferung später für rechtswidrig. Maja T. steht nun in Budapest vor Gericht, es drohen bis zu 24 Jahre Haft. Das Urteil könnte noch im Herbst fallen.

Weil sich im Fall von Zaid A. die Prüfung des Auslieferungsverfahrens so lang hinzog, war der Nürnberger zuletzt haftverschont worden. Zuletzt setzte er sich dann nach Frankreich ab. Das Land wählte Zaid A. offenbar nicht ohne Grund: Frankreich hatte zuletzt die Auslieferung eines weiteren Beschuldigten für die Budapest-Angriffe nach Ungarn verweigert – den Albaner Rexhino „Gino“ A. Es sei nicht sichergestellt, dass in Ungarn die Europäische Menschenrechtskonvention eingehalten werde, was die Haftbedingungen und eine faire Prozessführung betreffe, argumentierte das Gericht.

Anna Busl, die deutsche Anwältin von Zaid A., sagte der taz, es liege auf der Hand, dass eine Person, die sich mit der Gefahr einer Auslieferung nach Ungarn konfrontiert sieht, verfolge, wie Behörden in anderen Ländern mit vergleichbaren Fällen umgehen. „Klar ist, dass es keine Auslieferung nach Ungarn geben darf, weil es dort für Antifaschisten keine fairen Verfahren gibt“, so Busl. Sie hoffe nun, dass französische Gerichte dies im Fall Zaid A. ebenso wie zuletzt bei Gino A. sehen.

Auch Italien verweigerte zuletzt Auslieferung nach Ungarn

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, die bisher das Auslieferungsverfahren gegen Zaid A. nach Ungarn führte, ließ eine Anfrage vorerst unbeantwortet, ob und wie es dort nun mit seinem Fall weitergeht. Verweigert Frankreich tatsächlich die Auslieferung von Zaid A. nach Ungarn, könnte die dortige Justiz auch in Abwesenheit gegen den 22-Jährigen wegen der Budapest-Angriffe verhandeln. Nach ungarischem Recht ist dies möglich.

Zuletzt hatte auch Italien die Auslieferung eines Beschuldigten im Budapest-Komplex nach Ungarn abgelehnt. Auch das Europaparlament verweigerte jüngst die Aufhebung der Immunität einer weiteren Beschuldigten, der italienischen Abgeordneten Ilaria Salis – wegen Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Die Orbán-Regierung reagierte wütend. Es sei „empörend, dass das Europaparlament linksextremen Terrorismus legitimiert“, erklärte ein Regierungssprecher. Man werde nicht aufgeben, die Täter von Budapest ins Gefängnis zu bekommen.

In Deutschland wurde derweil vergangene Woche die Nürnbergerin Hanna S. zu fünf Jahren Haft wegen der Angriffe in Budapest verurteilt. Weitere Beschuldigte müssen sich demnächst in Düsseldorf und Dresden wegen dieses Vorwurfs verantworten. Ihnen wird auch versuchter Mord vorgeworfen.