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Gliederung
1. Einleitung
2. Funktion der Studentenhistoriker
3. „Romantische Idylle“ und „brüderliche Liebe“
3.1 Das Programm der Studentenhistoriker für Marburg
3.2 Die ReferentInnen
4. Same same, but different: Fechtlehrgänge in Marburg
5. Fazit

Kurz bevor dieser Artikel veröffentlicht werden sollte, sagten die OrganisatorInnen der Tagung diese ab. Ob die Absage wirklich aufgrund von mangelndem Interesse passiert ist, ist fraglich. Vielmehr scheint Druck von außen ursächlich zu sein. Das in der Absage verwendete Bild vom „Denkerclub“ 1819 von Personen mit Maulkorb und der Frage „Wie lange mochte uns das Denken wohl noch erlaubt bleiben?“ sowie Diskussionen auf Reddit bestätigen das. Im Sub-Reddit „Korporeddit“ sind solche Kommentare die einhellige Meinung: „Haben sich von Linken einschüchtern lassen und geben denen jetzt noch nen grund zu feiern“.

Wir möchten euch unsere Recherche nicht vorenthalten und veröffentlichen sie nun trotzdem – auch in Hinblick auf die 86. Studentenhistorikertagung 2026 in Tübingen.

1. Einleitung

Vom 17.-19. Oktober 2025 sollte in Marburg die 85. Jahrestagung des Arbeitskreis der Studentenhistoriker (AKSt) stattfinden. In dem Zusammenschluss forschen Mitglieder unterschiedlicher Bünde über die Geschichte der Korporationen. Anders als der Begriff suggeriert, erforschen Studentenhistoriker jedoch nur die Geschichte der Studierendenverbindungen und nicht die Geschichte der Studierenden. Die Tagung sollte auf den Häusern verschiedener Marburger Studentenverbindungen stattfinden, die Nutzung der Unikirche wurde untersagt. Die Veranstaltung war öffentlich auf der eigenen Homepage beworben und sollte in Kooperation mit der CV-Akademie1, dem Convent Deutscher Akademikerverbände (CDA) und der Gemeinschaft für Deutsche Studentengeschichte (GDS) stattfinden. Das Programm umfasste vor allem Vorträge, aber auch einen Festakt, Stadtführungen und Karzerbesichtigungen. Mehrere der Referenten sind Mitglieder der extrem rechten Deutschen Burschenschaft (DB).

An der Veranstaltung beteiligten sich Bünde und Personen vom Coburger Convent (CC), der Deutschen Burschenschaft (DB), dem Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV), dem Weinheimer Senioren Convent (WSC), dem Burschenbunds-Convent (BC), dem Schwarzburgbund (SB), dem Mittelschüler-Kartell-Verband (MKC), dem Mittelschüler-Kartell-Verband (ÖCV) und dem Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV).

Dieser Rechercheartikel problematisiert die Tagung aus drei Gründen. Erstens als verbindungsstudentische Veranstaltung. Zweitens, da dort Geschichtsrevisionismus stattfinden sollte und drittens, weil Burschenschaften der extrem Rechten Deutschen Burschenschaften Teil davon waren.
Antifaschistische Korporationskritik hat eine lange Historie. Immer wieder wurde in den vergangen Jahrzehnten auf den Sexismus, den Nationalismus, das Eliten- und Seilschaftsdenken, den autoritären Charakter, die Gewalt nach innen und außen sowie viele weitere Kritikpunkte an Studentenverbindungen eingegangen.2 Die einzelnen Aspekte sind je nach Art der Verbindung weniger oder mehr ausgeprägt. Wenn sich nun Korporierte von zehn verschiedenen Dachverbänden treffen, ist das problematisch!


Das Treffen hatte dazu noch einen bestimmten Zweck, nämlich dem Verbreiten eigener historischer Narrative und Erzählungen, die die Verbindungen im Kern von historischer Schuld und NS-Täterschaft befreien sollen. Das Vorgehen ist kein empirisch-analytisches, sondern stützt sich oft auf Einzelschicksale bzw. -aspekte oder Streitereien innerhalb der (extremen) Rechten. Bei so einer Flut an korporierten Veröffentlichungen mit gegenseitiger Zitation wird die eigene Erzählung wirkmächtig. Eine Historikertagung mit Vorträgen, Vernetzung und einem Sammelband im Anschluss ist für diese Verdrehung der Geschichte ein wichtiges Puzzlestück. Die Tagung mag für Außenstehende stinklangweilig wirken, die Narrative, die dort geformt werden, sind aber alles andere als irrelevant.


Dem Ganzen wurde noch dadurch die Krone aufgesetzt, dass Burschenschafter der extrem Rechten Deutschen Burschenschaft auf der Tagung mit drei Referenten stark präsent sein sollten. Die angebliche Gegnerschaft der Korporationslandschaft zum historischen Faschismus wird hier schon ab absurdum geführt. Gemeinsam mit der DB – die beispielsweise Deutschland nicht in den Grenzen von 1945 anerkennt und in den 2010er-Jahren über „europäische Gesichts- und Körpermorphologie“ als Bedingung für die Mitgliedschaft bei ihr diskutiert hat – über die Erfahrungen jüdischer Studierender oder das Ende der Weimarer Republik zu diskutieren, ist einfach vollkommen absurd. Alte Herren der DB sind weder bei einer solchen Tagung, noch insgesamt im Milieu der Studentenhistoriker Zaungäste oder ungebetene Zuschauer. Sie sind gern gesehene Mitstreiter für die gemeinsame Sache. Und das, obwohl ihre Mitglieder erst vor wenigen Jahren gewaltsam das Haus einer Schwarzburgbund-Verbindung in Marburg gestürmt und verwüstet haben. Dieser Filz von Konservativen und Nazis funktioniert so lange gut, solange es keinen öffentlichen Druck gibt.

Dieser Artikel ist wie folgt aufgebaut: Das nächste Kapitel erläutert die Funktion und Relevanz von „Studentenhistorikern“ und kritisiert diese. Das darauf Folgende geht genauer auf die Tagung in Marburg ein und bietet eine Übersicht zu den Inhalten des geplanten Programms sowie Rechercheergebnisse zu den einzelnen ReferentInnen. Diese können auch einzeln gelesen werden. Kapitel 4 stellt den Vergleich zu einer ähnlichen Veranstaltung an, die in den vergangen Jahren in Marburg stattgefunden hat: Den Fechtlehrgängen, die teilweise von einzelnen Dachverbänden, teilweise verbandsübergreifend im Zusammenschluss mit der extremen Rechten stattgefunden haben und konspirativ in Schulturnhallen organisiert wurden. Das abschließende Kapitel zieht ein Fazit und bietet einen Ausblick auf das 500jährige Jubiläum der Marburger Universität im Jahr 2027. Wegen seiner hohen Relevanz für Korporationen, ist dieses bereits auf der Tagung Thema.

2. Funktion der Studentenhistoriker

Auch wenn es für normale Menschen seltsam und uninteressant scheint: die eigenen Historiker – also Studentenhistoriker – haben für Studentenverbindungen eine zentrale Bedeutung und Funktion, weswegen sie in die Korporationskritik unbedingt miteinbezogen werden müssen. Ihre Rolle besteht darin, innerhalb der Korporation ein eigenes Geschichtsnarrativ zu verbreiten und damit ein gefälliges Geschichtsbild zu erzeugen. Da es kaum kritische Auseinandersetzungen mit der Geschichte der einzelnen Verbindungen gibt3, ist die Forschung und Erzählung der eigenen Historiker wirkmächtig. Deutlich wird dies außerhalb des Korpo-Kosmos beispielsweise bei Wikipedia, wo viele Artikel zu Verbindungen augenscheinlich im Sinne des eigenen Geschichtsbildes verfasst oder geändert werden. Auf diese Quellen greifen dann beispielsweise KI-Modelle zu und verbreiten die Narrative weiter.


Dass die meisten Verbindungen im Wesentlichen NS-Wegbereitungs- und -nachfolgeorganisationen sind, wird von den Studentenhistorikern nicht thematisiert und nur durch kritische Nachforschung deutlich. Für den Coburger Convent wurde dies beispielsweise durch eine explorative Forschung der Autonomen Antifa Freiburg zu der Geschichte der CC-Bünde bestätigt4. Ähnliches lässt sich zur NS-Geschichte der Studentenverbindungen insgesamt beobachten: In deutscher Manier werden bestimmte Fakten und vereinzelte Zusammenarbeit mit dem NS-Regime zwar nicht geleugnet, das vorherrschende Narrativ im Verbindungswesen ist jedoch, dass man seit dem 19. Jahrhundert für die Demokratie gekämpft habe und dabei sowohl vom NS-Regime als auch der DDR verfolgt und verboten worden wäre. Tatsächlich waren viele Korporierte entschiedene Gegner der Weimarer Republik und aktiv am Aufstieg des NS beteiligt. Der Kapp-Putsch 1920 etwa wurde in Marburg vom Studentenkorps Marburg unter der Beteiligung diverser Verbindungen durchgeführt.

Studentenhistoriker stützen das Opfernarrativ der Verbindungen und stabilisieren diese Erzählung damit nach innen. So schaffen sie unter sämtlichen Korporierten ein Gemeinschaftsgefühl und eine Verbundenheit durch eine ähnliche Geschichte, Brauchtümer und gemeinsame Traditionen. Die Geschichtsarbeit ist somit eines der wenigen Felder, in denen die zersplitterte, zerstrittene und unter öffentlichem Druck stehende Korporiertenlandschaft weiterhin zusammen kommt. Tagungen wie die im Oktober in Marburg ermöglichen eine Zusammenarbeit verschiedener Bünde und eine Vernetzung über Verbandsgrenzen hinweg. Neben der Geschichtsforschung findet eine organisatorische Zusammenarbeit vor allem beim Studentischen Fechten, das in sogenannten Waffenringen organisiert ist, und dem Denkmalerhaltungsverein (DEV) statt. Dieser kümmert sich um die Pflege des Burschenschaftsdenkmals in Eisenach und vereint Burschenschaften verschiedener Dachverbände.

Kranz der ADB bei Lönneckers Beerdigung

Deutlich wurde die einende Wirkung von Studentenhistorikern bei der Beerdigung von Harald Lönnecker 2022. Lönnecker war Studentenhistoriker und jahrzehntelang Archivar der extrem Rechten Deutschen Burschenschaft, außerdem u.A. Alter Herr der Burschenschaft Normannia Leipzig zu Marburg. Er wurde noch 2021 von der TU Chemnitz am Institut für Europäische Studien und Geschichtswissenschaften für eine außerplanmäßige Professur berufen. Zu seiner Beerdigung in Bad Bentheim nahe der holländischen Grenze kamen neben Besuchern der Deutschen Burschenschaft auch etliche Gäste anderer Bünde wie der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft (ADB) und der Deutschen Sängerschaft. In einer Rede bei einer Gedenkstunde für ihn wurde sogar explizit die integrierende Wirkung Lönneckers für Studentenverbindungen betont:

Als Historiker und Studentenhistoriker war Harald Lönnecker für alle Korporationen da. Seine studentenhistorische Aufstellung war universell. […] Für den Arbeitskreis der Studentenhistoriker fertigte er ein Gesamtverzeichnis aller seit 1924 bei den Studentenhistorikertagungen gehaltenen Vorträge. Und er half mit, das Sängermuseum in Feuchtwangen aufzubauen. Der studentische Gesang ist der gemeinsame Nenner aller Korporationen. […] Harald Lönnecker gehörte nicht weniger als 27 Vereinen beziehungsweise Gesellschaften an, die sich mit historischen Themen befassen. Und wir können davon ausgehen, dass er überall mitgearbeitet hat. Seine Hauptarbeit erbrachte er für uns, für die Burschenschaften. […] Er war, ist und bleibt bei unserer studentenhistorischen Arbeit allgegenwärtig.“5

Beerdigung von Harald Lönnecker. Bildrechte: Pixelarchiv

Nach Lönneckers Tod traten infrastrukturelle Probleme für die Deutsche Burschenschaft zutage: Nachdem die DB unter ihm als „Burschenarchivar“ jahrelang exklusiv und auf Steuerkosten Räume des Bundesarchivs in Bonn nutzen konnte, strich das Archiv den Nazis diese Privilegien und stellte sie vor die Wahl: Entweder, es müsse der allgemeinen Öffentlichkeit Zugang zu dem Archiv ermöglicht werden oder die Deutsche Burschenschaft die Räumlichkeiten verlassen6. Dass ihr Archiv für Verbandsfremde einsehbar werden würde, wollte die DB nicht zulassen und so lagert ihr Archiv aktuell bei einem Dienstleister ein. Offensichtlich haben sie etwas zu verbergen.

3. „Romantische Idylle“ und „brüderliche Liebe“

3.1 Das Programm der Studentenhistoriker für Marburg

Die wissenschaftlichen Vorträge, das Treffen der jüdisch-paritätisch Korporierten und die Regularien unseren Arbeitskreises werden wir im Ambiente der legendären Studentenromantik ansiedeln, die Marburg unverändert umweht, so sehr der sozialistische Ungeist der 68er Jahre auch wütete. Seine Fortsätze sind durchaus auch heute noch vorhanden, was dazu führte, daß nach klandestinen Drohungen inzwischen der Festakt für den CDA abgesagt wurde. Geboten wird bei uns das Gegenprogramm zum tumben Sozialismus, und das ist brüderliche Liebe, feinste Vortragskunst für den Kopf, legendäre Verbindunghäuser für’s Herz, anrührende Kultur für die Seele.7

Das kommende Kapitel fasst das schon vor der vollständigen Absage geschrumpfte Programm der Tagung zusammen und vermittelt die Programmpunkte mit der Analyse des vorangegangenen Kapitels. Die im Zitat angesprochene Absage an den Festakt des CDAs, der den Auftakt der Tagung bilden sollte, fasst dabei im Wesentlichen den Kern der ganzen Veranstaltung recht gut zusammen. Der Feind steht links und die Korporierten sind (mal wieder) Opfer böser Mächte. Womit wir auch schon bei der Romantik und der „brüderlichen Liebe“ wären, die für sie den Gegenpol zur feindlichen Umwelt bilden sollten. Gelegenheit dazu bietet ein erstes Stelldichein auf dem Haus der Turnerschaft Schaumburgia (CC) am Freitag Abend ab 19:00 Uhr.


Von CC bis KSCV, von (DB)-Burschenschaft bis Schwarzburgbund, man liegt sich in den Armen und die bösen Linken müssen draußen bleiben. Aber Moment: Gerade einmal fünf Jahre ist es her, dass vermummte Nazis der Burschenschaft Germania (DB) ihre Nachbarn der Frankonia (SB) an einem Zigarettenautomaten homophob und antisemitisch beleidigten und körperlich attackierten. Danach störten die Rüpel den nachbarschaftlichen Frieden zudem durch die Erstürmung des Frankonenhauses, das dabei einigen Schaden nahm. Die gerichtliche Auseinandersetzung um diese innerkorporierte Gewalt findet just in diesem Herbst ihre Fortsetzung vor dem Landgericht Marburg. Auch CC und KSCV pflegen in Marburg eine etwas spezielle Beziehung. Wie die Autonome Antifa Freiburg am 01.09.2025 berichtete8, wurde am 15.08.2025 eine illegale Pro Patria-Suite auf dem Haus des Corps Hasso-Nassovia (KSCV) gefochten, bei der das Corps die Landsmannschaft Hasso-Borussia (CC) empfing, um seine Ehre zu retten. Vorangegangen war ein unschöner Brief der Landsmannschaft, in dem sie ihren lieben Brüdern „vorstadiale Demenz“ diagnostizierten, die diese sich bei „körperlichen Auseinandersetzungen“ in der Nachbarschaft zugezogen hätten. Außerdem fallen Worte wie „Scheinfassadenschnösel“ und es ist die Rede von „abendliche[n] Spielchen a[m] corpsbrüderlichen Anus“. Auch hier also Homophobie und Gewalt, und das ausgerechnet auf dem Haus, auf dem die sonntägliche Matinée ab 11:00 Uhr das idyllische Beisammensein beschließen sollte.


Doch wenn schon die innere Verfasstheit der Korporierten an den Film „Gott des Gemetzels“ erinnert und auch von außen bloß sozialistisches Ungemach droht, dann hätte es ja noch die wissenschaftlichen Vorträge am Freitag ab 19:00 Uhr auf dem Haus der Schaumburgia und am Samstag ab 09:00 Uhr auf dem Haus der Landsmannschaft Nibelungia (CC) geben sollen, um der Tagung einen Rest an Würde zu bewahren, oder? Wäre der Titel des „ersten Opfers des Faschismus“ nicht an Österreich gegangen, so lässt eine Programmschau keinen anderen Schluss zu, als dass das deutsche Korporationswesen eine würdige Alternative gewesen wäre.

Den Auftakt macht Bernhard Schroeter von der Franconia Erlangen (DB) mit seinem Vortrag „Gerufen von der Republik – Korporierte im Freikorpseinsatz von der Novemberrevolution bis zum Versailler Vertrag“. Der Vortrag dürfte auf seiner Dissertation beruhen, welche Sebastian Sigler, Leiter der Tagung, auf der Website studentengeschichte.cc des CC rezensiert. Dort werden die marodierenden Mörderbanden9, deren Opfern eine Plakette an der Alten Uni in Marburg gewidmet ist, zu demokratischen Freedom-Fightern hochgejazzt, die es mit üblen Kommunisten und Linksradikalen zu tun gehabt hätten. Zu diesen zählt der Rezensent, ganz im Sinne Alice Weidels, auch Adolf Hitler. Nicht Täter seien sie gewesen, sondern „naive Idealisten“, die vom „tiefverwurzelten Pflichtgefühl gegenüber dem Vaterland“ geleitet gewesen seien. Im Moment wird dieses fortwährende Selbstbild nicht mal von den Institutionen der Demokratie goutiert, zu deren Rettung die reaktionären studentischen Freikorps damals doch angetreten seien. So wird die Burschenschaft Franconia Erlangen seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet, was Sigler sicherlich als Ausdruck des „linksgrünen Zeitgeistes“ betrachtet, den er so verachtet.

Nach dieser Überhöhung der studentischen Freikorps hätte im zweiten Vortrag am selben Abend die übliche Selbstviktimisierung im Rahmen der Geschichtsschreibung über den Nationalsozialismus mit Bernhard Grün (DB, CV) folgen sollen: „Zwischen Revolution und Rekonstitution. Das Kameradschaftswesen an den deutschen Hochschulen 1937-1945“. Auch dieser Vortrag, den Grün bereits im Wintersemester 21/22 auf dem Haus der Marburger Naziburschenschaft Rheinfranken gehalten hat, beruht wohl auf seinen schriftlichen Arbeiten zum Thema. Grün stützt sich laut des Rezensenten Michael Hacker, der im Rahmen der Tagung ebenfalls sprechen wird, vor allem auf Korporationsarchive und Zeitzeugenaussagen. Da ein freier Zugang zum Archiv der DB der Öffentlichkeit, wie zuvor dargestellt, nicht möglich ist, handelt es sich hierbei um ein korporiertes Zitierkartell, dass sich im eigenen Schlamm wälzt und dabei den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit vor allem durch den eingeübten Duktus zur Schau stellt.


Auch der Vortrag von Eike Alexander von Boetticher verspricht einen interessanten Blick auf die deutsche Geschichte: „Werner Bergengruen – Marburger Normanne, Corpsstudent, Lyriker des verborgenen Widerstands im Dritten Reich“. Im Umfeld der Studentenhistoriker ist der Bezug auf die wenigen, oft rechtskonservativen Widerständler en vogue. Hier kann eine Parallele zu einer Glosse aus der Konkret gezogen werden, in der das Magazin über die ARD-Sendung „Charité“ herzog und sinngemäß behauptete, die Serie habe es geschafft, in einem Krankenhaus mehr Widerständler zu zeigen, als es zur Zeit des Nationalsozialismus im Deutschen Reich insgesamt gegeben habe.


Gerd Mohnfeld klagt in seinem Vortrag: „Dem Zeitgeist erlegen – 1968 und das Ende des jüdisch-paritätischen Verbindungswesens“ die bösen sozialistischen Umtriebe an, weil der SDS im Jahr 1973 seine Verbindung gekapert und ruiniert haben soll. Warum er dies in einer Zeit und einem Kontext tut, in dem die Deutsche Burschenschaft personell und mit ihren Themen stark vertreten ist, während gleichzeitig in Marburg, Heidelberg und München DB-Nazis zu antisemitischen Angriffen auf Jüdinnen und Juden – und solche, die sie dafür halten – übergehen, bleibt seine persönliche Prioritätensetzung. Das gleiche gilt für Sofie Kassel, die in ihrem Vortrag über Erfahrungen jüdischer Studentinnen im Universitätsleben vor dem ersten Weltkrieg sprechen wird.


Dass diese rückwärtsgewandte Nabelschau der StudentenhistorikerInnen nicht alleine dem Verstecken der Leichen in ihren Kellern gilt, sondern einem auf die Zukunft gerichteten Zweck dient, wird deutlich, wenn man auf Arndt Hobreckers (KSCV) Vortragstitel blickt: „Marburger Unirektoren und ihre Verbindungen […] ein Beitrag zum 500-Jahre-Jubiläum der Philipps-Universität Marburg“. Dieser Vortrag ist nicht der einzige Hinweis darauf, dass es den Korporierten bei ihrer Veranstaltung darum geht, ihre eigene Präsenz an der Universität zu normalisieren und sich auf die Einbindung in die Feierlichkeiten zum Universitätsjubiläum vorzubereiten. Mit Blick auf darauf, ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass für die diesjährige Tagung Marburg als Veranstaltungsort ausgewählt wurde. Auch in der Vergangenheit haben die jährlichen Treffen häufig vor großen Jubiläumsfeiern in den entsprechenden Städten stattgefunden.
Der Referent zum Thema der künstlerischen Ausgestaltung der Alten Universität, Andreas Schübeler (CC), hat es bereits geschafft, direkt in die Organisation dieser Jubiläumsfeierlichkeiten eingebunden zu werden.

Mit Blick auf die wissenschaftlichen Vorträge kann also festgehalten werden, dass diese nicht nur in Bezug auf die vorgetragenen Inhalte selektiv und manipulativ ausgefallen wären, sondern darüber hinaus der gesamte Kontext eher instrumenteller als wissenschaftlicher Natur war. Ob ein österreichischer Z-Promi mit einem Vortrag zur Universität der Renaissance noch was hätte retten können, wäre am Ende wohl die spannendste Frage AdH10 gewesen. Fest steht jedenfalls: Die 85. Studentenhistorikertagung in Marburg wäre weder idyllisch, noch romantisch oder ein Fest der Wissenschaft geworden. Dafür sorgen die Korporierten in erster Linie selbst. Sie hätten sich jedoch auch darauf verlassen können, dass sie in Marburg ein ordentlicher sozialistischer Ungeist empfangen hätte, der ihren historischen Verklärungen und ihren autoritären Hoffnungen entschlossen entgegentritt. Und das wussten sie.

3.2 Die ReferentInnen

Übersicht

Dieses Unterkapitel gibt keinen Überblick über alle ReferentInnen, sondern soll lediglich eine Auswahl darstellen und dabei die Bandbreite der ReferentInnen der verschiedenen Dachverbände darstellen. Darin wird das korporierte Zitierkartell sowie auch Streitigkeiten zwischen und in den Verbänden aufgezeigt.

Auffällig für eine korporierte Veranstaltung ist, dass mit Sofie Kassel und Sophia Krüger zwei der zwölf ReferentInnen weiblich sind. Im Männerbund ist das ungewöhnlich, zumal weibliche Korporationen bei den relevanten Dachverbänden nicht aufgenommen werden. Dort dürfen Frauen in der Regel nur an ausgewählten Veranstaltungen in Begleitung teilnehmen und nicht auf Podien sprechen. Dass bei der Tagung dennoch zwei ReferentInnen weiblich sind, liegt vermutlich weniger an einem emanzipatorischen Aufbruch. Begründet sein dürfte es eher durch gesellschaftlichen Wandel, dem sie sich nicht verschließen können sowie an dem Wunsch, ein breites Spektrum von StudentenhistorikerInnen bei der Tagung abzubilden.
Weibliche Korporierte müssen als politische Subjekte ernst genommen werden. Sofie Kassel vom Schwarzburgbund spricht am Samstagnachmittag auf dem Haus der Landsmannschaft Nibelungia über Erfahrungen jüdischer Studentinnen im Universitätsleben vor dem Ersten Weltkrieg. Sophia Krüger von der Vangionia Mainz danach über ihre Verbindung Vangionia Mainz – Studie zur Rettung einer noch jungen Verbindungstradition. Sie ist Musikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Studentenlieder. Bereits in Sammelband zur 79. Studentenhistorikertagung hat sie dazu publiziert, ihre Magister- und Doktorarbeit behandeln ebenfalls dem korporierten Gesang.

Bernhard Grün ist Mitglied verschiedener studentengeschichtlicher Vereinigungen wie der Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte e.V. (GDS) oder der Gesellschaft für Burschenschaftliche Geschichtsforschung (GfbG) und wird auf der Website des AKSt als wichtiger Autor geführt. Er ist zudem Alter Herr mehrerer Verbindungen im Cartellverband der katholischen deutschen Studenten­verbindungen (CV), nämlich im KDStV Markomannia Würzburg, der KDStV Ferdinandea Heidelberg und der AV Suebo-Danubia Ulm. In der Ankündigung der Tagung in Marburg wird er auch als Mitglied der Deutschen Burschenschaft genannt. Er ist zudem „Farbenbruder“ der Burschenschaft Normannia Leipzig zu Marburg und der Burschenschaft Rheinfranken Marburg, da er mit ihnen „Zipfel“ getauscht hat. Dabei werden kleine Bänder in den Farben der Verbindungen getauscht und oft am Hosenbund getragen, was unter Korporierten als Zeichen enger Verbundenheit gilt. Den Zipfel mit den Rheinfranken hat er 2020 getauscht, im Wintersemester 2021/2022 war er wieder zu Besuch bei der Naziburschenschaft. Diesmal, um dort einen Vortrag zu dem Thema „Zwischen Revolution und Rekonstitution – Die Marburger Kameradschaften des NSD-Studentenbundes 1937-1945“ zu halten.


Hauptberuflich ist Grün Oberarzt für Anästhesie, Notfall- und Intensivmedizin in Weißenhorn in Bayern, studiert hat er in Würzburg und Gießen. Grün betreibt eine eigene Website und benutzt dort Nazi-Vokabular wie „Netzadressen“ statt „Website“, seine Mailadresse lautet „e-post@bernhard-gruen.de“. E-Post ist die extrem rechte Bezeichnung für „Mailadresse“, da letzteres als Anglizismus undeutsch sei.


Grün hat diverse Bücher, Aufsätze und Artikel zu korporationsgeschichtlichen Themen geschrieben, darunter über 20 Monographien, beispielsweise „Zwischen Fronteinsatz und Freiheitsklang. Studententum und Kameradschaftswesen im Nationalsozialismus“ oder das Fuxenstunden-Standardwerk „Die Fuxenstunde. Handbuch des Korporationsstudententums.“, zu dem es etliche Ergänzungen gibt. Grüns Aufsätze finden sich in diversen korporierten Veröffentlichungen wie dem „CC-Magazin“, der ADB-Publikation „Der Burschenschafter“, der CV-Zeitschrift „Academia“, dem „Corpsmagazin“ oder den „Burschenschaftlichen Blättern“. In der DB-Zeitschrift bedient er extrem rechte Themen, indem er über die „Volkspädagogischen Selbstentgrenzung des Linksstaates“ schreibt oder Medienkritik von rechts übt. In der Ausgabe 2019-01 beschwert er sich über ein angebliches „Linkskartell“ der etablierten Medien und „Bevormundung durch einen volkspädagogisch gewandeten Nanny-Journalismus“. Dem gegenüber setzt er diverse rechte Zeitschriften und Zeitungen, die er kurz vorstellt. Von der „Jungen Freiheit“ und „eigentümlich frei“ geht er zum „antaios-Verlag“ über, den er ausführlich und positiv beschreibt.


In der GDS war Grün 2021 maßgeblich an einem Streit beteiligt, in dessen Folge er beleidigt seine Aktivitäten dort einschränkte. Grün war bis dahin Mitherausgeber der Reihe „GDS-Archiv“, die zuvor schon von Harald Lönnecker herausgegeben wurde. In einem Sammelband wollte Frank Grobe (AfD-MdL in Hessen, Aachener Burschenschaft Teutonia in der Neuen Deutschen Burschenschaft, ebenfalls Studentenhistoriker und ehedem privatinsolventer Bankangestellter) einen Beitrag zu seinem Lieblingsthema „Gewalt gegen Korporationen“ veröffentlichen. Der Vorstand weigerte sich, den Artikel zu drucken, da er nicht den wissenschaftlichen Standards entsprochen habe. Daraufhin witterten Bernhard Grün und seine Mitherausgeber Helge Kleinfeld und Marc Zirlewagen Cancel Culture und zogen sich als Herausgeber zurück.
Bernhard Grün sollte am 17. Oktober 2025 zu dem Thema: „Zwischen Revolution und Rekonstitution. Das Kameradschaftswesen an den deutschen Hochschulen 1937 bis 1945.“ sprechen. Der Vortrag sollte auf dem Haus der Turnerschaft Schaumburgia Marburg stattfinden.

Raimund Lang wurde am 24.05.1951 in Salzburg geboren. Er lebt inzwischen bei Hamburg und arbeitet für den NDR als freier Synchronsprecher. Zuvor war er lange an österreichischen Theatern tätig und ist außerdem aktiver Studentenhistoriker. Bereits als Schüler wurde er Mitglied der inzwischen suspendierten katholischen Schülerverbindung KÖStV Illyria Hallein und übernahm dort verschiedene Ämter als Kassierer, Schriftwart und Fuchsmajor. Lang ist seitdem tief in die korporierte Lebenswelt eingebunden, was sich zunächst an den vielzähligen Mitgliedschaften zeigen lässt. So ist er etwa Mitglied der KDStV Borussia-Wien, der Gothia Seckau und der Austro-Bavaria im MKV, zudem unterhält er mehrere Ehrenmitgliedschaften etwa in der KDStV Frankonia Czernowitz zu Erlangen und der Wiking Hamburg im CV. Seine eigenen Arbeiten drehen sich hauptsächlich um das „studentische Liedgut“, auf diesem Gebiet ist er intern ein zentraler Akteur. Die Bedeutung, die diesem Liedgut in den Korporationen zukommt, lässt sich dem Beitrag Raimund Langs aus dem von Bernhard Grün herausgegebenen Standardwerk „Die Fuxenstunde“ entnehmen, wo es prominent im Kapitel „Prinzipien“ behandelt wird. Dort heißt es bezüglich der sozialen Funktion des gemeinsamen Gesangs: „Das frühzeitige Einüben und Begeistern für den Reichtum und die Vielfalt studentischen Liedguts ist eine wichtige Aufgabe bereits in der Fuxenstunde.“ Hier wird zunächst der nach innen wirkende Erziehungscharakter des studentischen Liedgutes deutlich, das als kultureller Kitt gemeinschaftsstiftende Wirkung entfalten soll. Über den gemeinsamen Gesang wird zudem das elitäre Selbstbild der Korporationen vermittelt:

Um aus der Wissenschaft Nutzen zu ziehen, muß man nicht singen. Menschen solcher Art wird es immer geben: Studierende […] oder wie immer man sie nennen mag. Doch wer neben dem Wissen auch das Leben sucht, der wird schnell an jenen Punkt geraten, wo er seine Stimmung zum Klingen bringen möchte. Und erst dann gebührt ihm mit Fug und Recht die pure, alte Standesbezeichnung ‚Student.“11

Zusätzlich zu diesen nach innen gerichteten Funktionen, wird auch der größere Zusammenhang, in dem das Liedgut Wirkung entfalten soll, vermittelt. So steht in den Zwecken der Übung ausdrücklich auch die Bedeutung des Gesangs für den gemeinschaftsstiftenden Charakter für „Vaterland und politische Bildung“, was im Text am Beispiel der Nationalbewegung in Zeiten der „Befreiungsbewegung gegen die Napoleonische Fremdherrschaft“ dargelegt wird. Auf die im angefügten Fragenkatalog aufgeworfene Frage nach dem Missbrauchspotenzial des studentischen Liedes wird im Text hingegen an keiner Stelle eingegangen.


Raimund Lang relativiert nicht, aber er lässt aus. In seinem ebenfalls im Rahmen einer Studentenhistorikertagung gehaltenen Vortrag zum jüdisch-korporierten Fritz Löhner-Beda, der in Auschwitz ermordet wurde, benennt er die Grausamkeiten der Nationalsozialisten und entfaltet über eine Stunde hinweg einen Vortrag, der das Leben und Wirken Bedas in den Mittelpunkt stellt und würdigt. Der Vorwurf, den man hier machen muss, ist die mangelnde Reflexion über die Beteiligung der oftmals korporierten Funktionseliten wie beispielsweise Ernst Kaltenbrunner (Burschenschaft Arminia Graz), Joachim Caesar (Burschenschaft Alemannia Bonn) oder Werner Kirchert (Burschenschaft Salingia Halle) an der nationalsozialistischen Barbarei.
Lang stellt stattdessen die große Klammer des Korporationswesens in den Vordergrund und versucht eine gute Stimmung zu erhalten, was neben der Gesangserziehung insgesamt zu seinen Aufgaben zu gehören scheint. Von den Nazi-Burschenschaften der DB über die Landsmannschaften und Turnerschaften des CC bis zum Schwarzburgbund, kann man sich darauf einigen, dass Langs Festvorträge, Reden und musikalische Einlagen zu den Highlights der jeweiligen Anlässe gehören. Er selbst verfasst Beiträge in den Magazinen der unterschiedlichsten Verbindungstypen und lässt dort seine Veranstaltungen bewerben. Lang hat offensichtlich keine Probleme damit, auch mit diesen Neonazis das studentische Liedgut zu feiern und zu pflegen.
Raimund Lang sollte am 18. Oktober 2025 zum Thema „Olympia Fulvia Morata (1526 – 1555), eine große Gelehrte der Renaissancezeit.“ sprechen. Der Vortrag sollte auf dem Haus der Landsmannschaft Nibelungia Marburg stattfinden.

Der Jurist Arndt Hobrecker, geboren am 19.07.1960 in Hamm/Westfalen, ist Alter Herr des Corps Hasso-Nassovia Marburg, welchem er 1979 beigetreten ist. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Hobrecker studierte Rechtswissenschaften in Marburg, Lausanne, Freiburg und Göttingen. Seit 2014 ist er Vorsitzender des Vereins Alter Hessen-Nassauer e.V. seines Corps, dass ihm 2021 die Ehrenmitgliedschaft verliehen hat. Ebenso ist Hobrecker bis 2027 im Vorstand vom Verband Alter Corpsstudenten e.V. (VAC). Im VAC ist er auch seit 2014 der Beauftragte für die Corps Akademie.
Darüber hinaus ist Arndt Hobrecker Kreisgeschäftsführer der CDU Kreisverband Weimar.
In einer Rede vom 22. Mai 2015 an die Klinggäff-Preisträger konstatiert Hobrecker: „Unser Bedarf lautet Orientierung. Er lautet Haltung. Er lautet Bildung. Und deshalb nicht nur Ausbildung allein! Grams Onoldiae hat gestern im Beraterkreis der Corps-Akademie so vehement gefordert, wir Corpsstudenten seien eine Bildungsgemeinschaft und gleichberechtigt auch Idealen wie Toleranz, Tugend und Freundschaft verpflichtet“. Diese Rede steht im kompletten Widerspruch zu seiner geplanten Teilnahme an der deutschen Studentenhistorikertagung.


Arndt Hobrecker sollte am 19. Oktober 2025 um 11 Uhr zu dem Thema: „Marburger Unirektoren und ihre Verbindungen, speziell die Biografie von Prof. Franz Leonhard, posthum EM der Hasso-Nassovia – ein Beitrag zum Jubiläum 500 Jahre Philipps-Universität“ sprechen. Der Vortrag sollte auf dem Haus der Hasso-Nassovia Marburg stattfinden.

Andreas Walter Schmitz ist Teil der Deutschen Burschenschaft. Er studierte von 1987 bis 2002 Neuere Geschichte, Mittlere Geschichte und Politikwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Von 1987 bis 2019 war er Reserveoffizier in verschiedenen Verwendungen, zuletzt Verbindungsoffizier zum Bayerischen Staatsministerium des Inneren (seit 2014). Aktuell ist Schmitz Oberstleutnant an der Sanitätsakademie der Bundeswehr und Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte. Seine politische Gesinnung versucht Schmitz außerdem auf gesellschaftspolitischer Ebene einzubringen, indem er sich am 9. Juni 2024 in den Gemeinderat der Gemeinde Wölferlingen hat wählen lassen.
Andreas Walter Schmitz sollte am 18. Oktober 2025 zum Thema „Die studentischen Verbindungen an den militärärztlichen Bildungseinrichtungen im Kaiserreich einst und heute: Berlin – Hamburg – Marburg.“ sprechen. Der Vortrag sollte auf dem Haus der Landsmannschaft Nibelungia Marburg stattfinden.

Dr. Bernhard Schroeter, geboren am 31.05.1943, ist Alter Herr der Burschenschaft Frankonia Erlangen (DB), welche aktuell vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Schroeter ist bzw. war unter anderem Vorsitzender der Vereinigung Alter Burschenschafter (VAB) Stuttgart, Kassenprüfer VAB Eisenach, Vorstandsmitglied im Volkstumsverein, Vorstandsmitglied Burschenschaftsdenkmalverein Eisenach (DEV) und Mitglied bei Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.V., dem zur Zeit Christian Oppermann von den Burschenschaften Arminia Prag zu Bochum und Libertas Brünn zu Aachen vorsteht
Schroeter schrieb bereits Artikel in den Burschenschaftlichen Blättern, u.a. in Ausgabe 2020-4 einen Nachruf auf Arnd Kniese oder in 2023-3 über die Morde von Mechterstädt, in der er die Morde des Marburger Studentenkorps rechtfertigt und relativiert. Des Weiteren schrieb er in verschiedenen Magazinen, wie dem „CC-Magazin“ und dem DEV-Magazin „Denkmalgeflüster“. Erwähnenswert ist auch, dass er der letzte Doktorand des verstorbenen Harald Lönnecker war.
Am Volkstrauertag 2023 hielt Bernhard Schroeter eine Rede am „Gefallenenehrenmal“ in Eisenach. Dieser Tag wird von Rechten und extrem Rechten genutzt, um deutschen Soldaten der Wehrmacht zu gedenken und teilweise die deutsche Täterschaft zu relativieren.
Bernhard Schroeter sollte am 17. Oktober 2025 zum Thema „Gerufen von der Republik – Korporierte im Freikorpseinsatz von der Novemberrevolution bis zum Versailler Vertrag.“ sprechen. Der Vortrag sollte auf dem Haus der Turnerschaft Schaumburgia stattfinden.

Andreas Schübeler ist Alter Herr der Landsmannschaft Neoborussia Halle zu Freiburg. Schübeler wurde am 20. Januar 1995 geboren und arbeitet als Rechtsreferendar und Mitarbeiter am Kunstgeschichtlichen Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er ist Mitglied der Studentengeschichtlichen Vereinigung des CC, ebenso war er CC-Verbandsfunktionär.
Andreas Schübeler sollte am 18. Oktober 2025 um 10 Uhr zum Thema „Zur künstlerischen Ausgestaltung der Alten Universität in Marburg.“ sprechen. Der Vortrag sollte auf dem Haus der Landsmannschaft Nibelungia Marburg stattfinden.

Sebastian Sigler, geboren am 25.04.1964, studierte ab 1983 Geschichte, Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte in Bielefeld, München und Köln. Sigler war von 1992 bis 2017 Mitglied des Corps Bavaria München. Seit Anfang 2017 gehört er dem Corps Masovia Königsberg zu Potsdam und seit 2022 dem Corps Guestphalia Halle an. Ebenso war von 2004 bis 2007 stellvertretender Vorsitzender des Verbandes Alter Corpsstudenten. Seit 2009 ist er Vorsitzender des Arbeitskreises der Studentenhistoriker. Sigler arbeitete 2019 für den AfD-MdB Jürgen Braun.
Er engagiert sich auch beim Verein „Aktion Lebensrecht für Alle“ gegen Abtreibungen und rechtfertigte in einem Zeitungsartikel deren „Gehsteigberatung“ vor Abtreibungskliniken. Zudem war er Teil eines Aufrufs, der kritisierte, dass der 8. Mai 1945 einseitig von Medien und Politikern als „Befreiung“ charakterisiert wird.


Sigler arbeitet als Journalist und Autor und war unter anderem bei der „Welt“, „Cicero“ und „Tichys Einblick“ beschäftigt. Außerdem hat er diverse Bücher über konservative und korporierte Gegner Hitlers geschrieben.
In seinen Texten und Büchern versucht Sigler vehement den Mythos vom korporierten Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu befeuern. Er erklärt Korporationen schon dem Ursprung nach zu „Widerstandsnestern“, die in kritischer Distanz die Ideen der französischen Revolution übernommen hätten. Schon allein weil der Nationalsozialismus eine Form des Sozialismus gewesen sei, wären die Verbindungen unempfänglich für das NS-System gewesen. Siglers Zugriff auf korporierte Widerstandskämpfer, die fast gänzlich dem nationalkonservativen Widerstand um Stauffenberg zuzuordnen waren, bewegte sich dabei jenseits jeder empirischen Statistik und stütze sich nur auf biographische Einzelbeispiele.
Sebastian Sigler sollte keinen Vortrag halten, sondern die Tagungsleitung innehaben.

Analyse der ReferentInnen

Es kommt zusammen, was zusammen gehört, ReferentInnen von KSCV über CC bis hin zur DB. Anhand der Personenübersicht kann man den Schulterschluss konservativer und extrem rechter Akteure deutlich erkennen. Für Arndt Hobrecker (KSCV) gelten die von seinem Verband propagierten Tugenden Toleranz und Gleichheit demnach auch für extrem Rechte wie Schroeter (DB). An Bernhard Grün lässt sich exemplarisch die ereinende Wirkung von Studentenhistorikern und die Vernetzung von katholischen Korporierten zur extremen Rechten zeigen: Der Gemeinschaftsgeist der Studentenhistoriker verbindet. Dass Hobreckers Bundesbruder Sigler (KSCV) für die AfD arbeitete, ein aktiver misogyner Abtreibungsgegner und gleichzeitig Kreisgeschäftsführer der CDU Weimar ist, passt ins Bild. Hier zeigt sich wieder, dass parteipolitische Abgrenzungsbeschlüsse auf den Verbindungshäusern nicht greifen, weil das Problem nicht mangelnde ideologische Schnittmengen sind.
Dass mit Andreas Walter Schmitz (DB) ein Mitglied der Bundeswehr zum Kreis der Studentenhistoriker zählt, ist nicht verwunderlich. Die Geschichte der Studentenverbindungen ist seit jeher mit der deutschen Soldatengeschichte verbunden. Das zeigt nicht nur lokal die Zusammensetzung des Studentenkorps Marburg, sondern auch die Überschneidungen zum Bataillon der Marburger Jäger. Nicht umsonst war es bis zur Abschaffung der Wehrpflicht für Mitglieder von Bünden der Deutschen Burschenschaft verpflichtend „gedient zu haben“. Auch heute noch spielt das das Soldatentum eine wichtige Rolle im Weltbild der Burschen. Im Jahr 2015 führte Roland Richter (Hannovera Göttingen und Germania Marburg) bei seiner Rede zum Totengedenken durch die 200jährige Geschichte der Burschenschaften, indem er Biographien „gefallener“ Burschenschafter aus allen Epochen deutscher Kriege vorstellte. Nicht nur leitet sich das Männlichkeitsbild des Männerbundes vom Soldatischen ab, der Umgang des Deutschen Staates mit dem Gedenken an deutsche Soldaten bietet immer wieder Anlass zu Geschichtsrevisionismus. Das Projekt „Fakten statt Mythen“ schreibt über die Rede zum Totengedenken 2024 von Ansgar Grimm (Alte Burschenschaft Burgkeller Jena): „Explizit geschichtsrevisionistisch wurde der Redner, als er behauptete, „unsere Großväter und Urgroßväter“ wären in den Krieg gezogen, um „Haus und Hof, Volk und Familie zu beschützen“.12Den Angriffs- und Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands als ehrbare Verteidigung von „Haus und Hof“ zu deuten, widerspricht jeder historischen Faktizität. Die Burschenschaften sieht Grimm als Gegenpol zur etablierten Erinnerungspolitik, den 8. Mai deutete er als „Tag der Demütigung, Besetzung, Vergewaltigung, Vertreibung, den Tag willkürlichen Mordens und der Unterdrückung“. Über die Verbrechen des NS verlor der Redner kein Wort, womit er ganz auf der Linie der von Björn Höcke geforderten „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ ist.“ 

4. Same same, but different: Fechtlehrgänge in Marburg

Bei der Auseinandersetzung mit der Studentenhistorikertagung drängt sich ein Vergleich zu strukturell ähnlichen Veranstaltungen in der Vergangenheit auf: den Fechtlehrgängen. Der Inhalt und die Zielgruppe waren zwar eine andere, jedoch sind beides gelebte Aspekte des verbindungsstudentischen Brauchtums, sind bzw. waren zeitweise überverbandlich organisiert und stark von CC-Verbindungen getragen.
Über die Fechtlehrgänge haben wir 2023 eine Recherche „Hiebe in Hallenschuhen“ veröffentlicht. Bis dahin fanden die Lehrgänge seit 2001 unregelmäßig statt, entweder überverbandlich, von der Deutschen Burschenschaft, der Arbeitsgemeinschaft Andernach13 oder dem Coburger Convent ausgerichtet. Die Fechtlehrgänge waren nicht-öffentlich und wurden in Zusammenarbeit mit Kurt-Joachim Betz konspirativ organisiert. Er hatte innerhalb der verbindungsstudentischen Fechtzusammenhänge eine ähnliche Funktion wie Lönnecker bei den Historikern. Er nutze seine Position beim Sportverein VfL Marburg aus, um ohne dessen Wissen Schulturnhallen bei der Stadt Marburg zu buchen. Nach unserer Recherche wurde diese Praxis gestoppt und die Fechtlehrgänge müssen nun auf den Verbindungshäusern stattfinden, was korpointern zu erheblichen Unmut führte:

Heil Euch m.lb. Bundesbrüder,
nachdem ich hocherfreut im aktuellen CC-Magazin 01/2023 auf Seite 16 unsere FechMstr, Tle sogar mit dem Böhmerwald-Kopfcouleur (@Andreas, hab vielen Dank dafür!) detektieren konnte, muss ich heuer eine unglaubliche und m.E. beschämende Neuigkeit melden.
Unser jährlicher CC-Fechtlehrgang, welcher seit dem ich denken kann, immer geordnet und friktionsfrei, in der Emil von Behring Turnhalle zu Marburg durchgeführt wurde, soll wohl durch die Stadt Marburg quasi verhindert werden.
Grundlage war ein Netz-Bericht im, vom Verfassungsschutz gesichert linksextremistisch eingestuften, Netzwerk „STADT; LAND; VOLK“ (Antifaschistische Aktion).
Es ist wirklich unglaublich wie unsere gewählten Volksvertreter und Verfassungs- (schutz) Organe, sich hier unreflektiert extremistische Propaganda zu eigen machen und diese immer wieder dann auch noch als validen Nachweis anführen. Weiteren Kommentar erspare ich Euch, dass muss man erst einmal sacken lassen.
….bleibt standhaft und treu!
MBG TH“14

Betz verabschiedete sich kurz darauf in seinen Lebensabend in Marburg-Elnhausen.

Während die Lehrgänge junge, fechtende Korporierte ansprechen und körperlich zurichten, sprechen die Historiker Korporierte jeden Alters und aller Bünde an, ob schlagend oder nicht. Dabei fabrizieren die Historiker die eigene vermeintliche Geschichte, aufgrund derer sich andere Teile der Korporierten mit Säbeln für die Ehre und das Vaterland fast umbringen15. Somit haben beide Veranstaltungen haben auf unterschiedlichem Terrain denselben Zweck: Pflege des studentischen Brauchtums, Eigenlegitimation, Vernetzung über den Bund bzw. Dachverband hinaus und Stärkung der verbindungsstudentischen Lebensweise mit allen reaktionären Elementen. Bei beiden Veranstaltungen spielten lokale CC-Bünde eine tragende Rolle.

5. Fazit

Dieser Rechercheartikel problematisiert, wie eingangs geschrieben, die Tagung aus drei Gründen:

Erstens als verbindungsstudentische Veranstaltung.
Zweitens, da dort Geschichtsrevisionismus stattfindet.
Drittens, weil Burschenschaften der extrem Rechten Deutschen Burschenschaften Teil davon sind.

Alle drei Aspekte sind im Artikel ausführlich dargelegt. Der Marburger Stadtgesellschaft ist klar, dass es sich bei den Marburger DB-Burschenschaften um Nazis handelt, bei der Germania hat es inzwischen sogar der Verfassungsschutz erkannt. Dass sich die extrem rechte Deutsche Burschenschaft unter dem Deckmantel des AKSt mit anderen Korporierten an einen Tisch setzen darf, ist bemerkenswert, da von den anderen Verbindungen in Marburg ja stets betont wird, dass man ja mit den „einzelnen schwarzen Schafen“ nichts zu tun habe.

Angesichts des 2027 bevorstehenden 500jährigen Jubiläums der Marburger Universität ist es wohl kein Zufall, dass die Tagung dieses Jahr in Marburg stattfinden sollte. Die Uni ist zentraler Bezugspunkt für Verbindungsstudenten und ein Jubiläum für sie ein wichtiges Ereignis. Das zeigen auch die gescheiterten Aktivitäten und Bemühungen Marburger Korporierter an den vergangenen Jubiläen zu partizipieren.

Tübinger Antifaschist:innen sollten sich darauf vorbereiten, dass der zweite Teil des „Jahrhundertjubiläums“ vom 25. – 27. September 2026 bei ihnen stattfinden soll.
In Marburg formierte sich der „sozialistische Ungeist“ erfolgreich in Form einer Mitmachkampagne gegen die Tagung. Das Motto der Kampagne:

In Marburg? Euch brennt doch der Hut! Die Studentenhistoriker Tagung zur Geschichte machen!

1Die CV-Akademie ist ein Bildungsträger des Cartellverbands der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV).

2Etwa in diversen Hochschulreadern zur Verbindungskritik zum Beispiel vom AStA Frankfurt: https://asta-frankfurt.de/sites/default/files/2022-10/2017verbindungskritikweb.pdf

3Ein Gegenbeispiel ist etwa: Heither, Dietrich; Kurth, Alexandra; Gehler, Michael; Schäfer, Gerhard (Hrsg.) (1997): Blut und Paukboden: eine Geschichte der Burschenschaften.

4Siehe: Autonome Antifa Freiburg (2025): Coburgs korporierte Schüler.

5Christian Oppermann anlässlich der Gedenkstunde der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung für Prof. Dr. Dr. Harald Lönnecker am 14. Juni 2025 im Berghotel in Eisenach

6Siehe: https://autonome-antifa.org/breve8987 und https://autonome-antifa.org/breve8818

7AKSt, online

8Siehe: https://autonome-antifa.org/breve9554

9Weiterführend zu den Morden von Mechterstädt: Heither, Dietrich/Schulze, Adelheid (2015): Die Morde von Mechterstädt 1920. Zur Geschichte rechtsradikaler Gewalt in Deutschland. Berlin: Metropol.

10„Auf dem Haus“, eine unter Korporierten übliche Phrase.

11Raimung Lang in: Grün, Bernhard; Vogel, Christoph (Hrsg.) (2016): Die Fuxenstunde. Handbuch des Korparationsstudententums

12Siehe: https://www.geschichte-statt-mythen.de/uebersichtskarte/Burschentag-in-Eisenach

13Die Arbeitsgemeinschaft Andernach ist der Dachverband der mensurschlagenden Verbände

14Thomas Hahn in: Autonome Antifa Freiburg (2025): Tradition in Waffen.

15Siehe: Autonome Antifa Freiburg (2023): Duell unter Korporierten.