Erklärung der K. Schön (eine Wohngemeinschaft in der Au 14-16)

Am 19.04.2003 kam es am Rande eines Konzerts in der Au 14-16 zu einer Schlägerei, und zu einem Rauswurf von drei BesucherInnen. Zu diesem Vorfall gibt es unseres Wissens zur Zeit zwei Stellungnahmen von Beteiligten. Wir selbst waren nicht Zeuginnen der Begebenheit und haben von dieser erstmals durch die Veröffentlichung der Gruppe „Au tut weh" erfahren. Was den Ablauf der Schlägerei angeht, differieren die Stellungnahmen von „Au tut weh" und die der „Au Veranstaltungsgruppe" erheblich. Beide Seiten stellen sich selbst als Opfer, die Gegenseite als Aggressor dar. Fakt ist, daß die Auseinandersetzung durch eine mit Edding an die Wand des Konzertkellers geschriebene Parole, bzw. durch die Reaktion einer der Besucher auf diesen Schriftzug ausgelöst wurde. Der Inhalt der Parole, „save Israel" hat diesen Besucher derart provoziert, daß es zu einem „Gerangel "(Zitat „Au-Veranstaltungsgruppe"), und darauf, zu einem Rauswurf des Schreibers der Parole kam (seine Freundinnen verließen den Keller daraufhin ebenfalls). Die „Au-Veranstaltungsgruppe" schreibt dazu in ihrer Stellungnahme: "(...), daß es ihnen nicht allein um einen Einsatz für das Existenzrecht Israels geht (eine Position, die wir unterstützen), sondern um die Propagierung einer äußerst umstrittenen Politik. Mit diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Parole „save Israel "für erheblich mehr steht, als es erst einmal den Anschein hat. Da die Gruppe bekannt, für ihre äußerst umstrittene Israelpolitik ist, muß der Spruch auch in diesem Zusammenhang gesehen werden. Für Unbeteiligte mag der Eindruck entstanden sein, daß sich der Konflikt einzig an der politischen Aussage des Spruchs entzündet hat, was nicht stimmt. " Für uns bleibt der Zusammenhang zwischen einem tag (Schriftzug) mit dem Wortlaut „save Israel" und einer (überdies nicht weiter ausgeführten) „äußerst umstrittenen Politik" nach wie vor völlig unklar, zumal der Schreiber selbst nicht aufgefordert wurde zu erläutern, was dieser Aufruf für ihn bedeutet. Außerdem rechtfertigt sich die „Au-Veranstaltungsgruppe": "Dem Schreiber muß bewußt gewesen sein, daß viele ihn sehen konnten, und die Aktion mitbekommen mußten. (..) Ihnen war klar, daß viele Leute anwesend waren, die Nationalismus, in welcher Form auch immer, kritisch gegenüber stehen."
Es ist unserer Meinung nach sehr auffällig, daß der linke Antinationalismus sich ausgerechnet am Staat Israel besonders intensiv aufhält. So werden nationale Befreiungskämpfe weltweit traditionell von Teilen der Linken unterstützt, oder zumindest nicht grundlegend abgelehnt. Ebensowenig gibt es einen Konsens über die grundsätzliche Ablehnung nationaler Symbolik.

Die Gruppe „Au tut weh" schreibt in ihrer Veröffentlichung: „So wurde schon zu Beginn der Auseinandersetzung in der Au ein Angebot, die Intention der Wandmalerei auf dem Au Plenum zu begründen, eindeutig abgelehnt. Offénsichtlich geht es nicht darum, Debatten zu Eiihren und Kritik zu reflektieren, stattdessen die kuschelige Szene rein gehalten werden von störenden, ideologiekritischen Elementen, die immer wieder mit dieser „Israel Scheiße" auf Mißstände hinweisen"
Wir meinen, daß eine Parole an einer Wand in diesem Zusammenhang weder intelligente Ideologiekritik ist, noch auf Mißstände hinweisen kann. Es ist, was es ist, eine Parole eben, die auf keinen Fall einen Angriff rechtfertigt.
Fakt ist auch, daß die Besucherinnen des Konzerts, die nach dem „Gerangel " zunächst vor die Tür gesetzt wurden, wenig später wieder an dem Konzert im Keller teilnehmen durften. Was nach dem Konzert eine Schlägerei auslöste, bei der zumindest einige Leute um den tag- Schreiber verletzt wurden ist ebenfalls unklar. Die „Au-Veranstaltungsgruppe" dazu: „Da sie die Provokationen trotzdem fortsetzten, forderten zwei Veranstalterinnen sie nach dem Konzert auf, zu gehen. Als sie sich weigerten, kam der am Anfang Beteiligte zur Hilfe "
Von welcher Art der Provokationen hier die Rede ist, wird mit keinem Wort erwähnt.
Nach einer Schlägerei und dem Rauswurf der BesucherInnengruppe, schrieben diese in die S-Bahn Unterführung in Rödelheim Sätze wie „Antisemitische Au dicht machen." Das Schreiben dieses tags sehen wir in Reaktion auf die vorhergehenden Geschehnisse, der Inhalt ist unangebracht und inakzeptabel. Keinesfalls können wir diese Reaktion jedoch als „vorsätzliche Diffamierung" wahrnehmen, wie dies die „Au-Veranstaltungsgruppe" in ihrer Stellungnahme tut. In der Tat wird in Deutschland, auch in Teilen der Linken auf Antisemitismuskritik derart impulsiv mit Ablehnung und Aggression reagiert, als gäbe es keinen Antisemitismus, als müsse man sich in keinem Fall mit dieser Kritik auseinandersetzen, als handele es sich schlicht um eine ' hinterhältige Beschimpfung', um Rufmord. Sätze wie „Antisemitische Au dicht machen" tragen in diesem Zusammenhang nicht dazu bei, eine so konstruktive wie nötige Auseinandersetzung um versteckte oder offene Antisemitismen zu führen und sind aus diesem Grund kontraproduktiv und dumm. Ein so inflationärer Umgang mit dem Begriff Antisemitismus höhlt diesen aus und beraubt ihn seiner Bedeutung.
In ihren Veröffentlichungen beziehen sich beide Gruppen auf den Angriff auf einen in der Gruppe Sinistra organisierten Mann im Exzess vor einem Jahr und stellen das Geschehene dadurch in Zusammenhang mit der Schlägerei in der Au 14-16. Die Gruppe „Au tut weh" dazu in ihrem Papier: „Der Hauptschläger, der mit der Unterstützung seiner Kameradinnen, mindestens sechs Leute verletzt hat, ist kein Unbekannter. War es doch derselbe, der bereits vor 12 Monaten im Café Exzess mit den Worten„ der Mossad hat wohl Feierabend" auf ein Mitglied der Gruppe Sinistra! einschlug. Auch dieser Übergriff wurde zunächst nicht durch einen Rausschmiss geahndet und im Nachhinein von Teilen der Szene relativiert oder sogar insgeheim unterstützt." Die „Au Veranstaltungsgruppe" stellt die Schlägerei folgendermaßen in Zusammenhang mit dem Angriff im Exzess vor einem Jahr: „Für uns ist offensichtlich, daß es Ziel ist nun auch uns zu denunzieren. Die Verantwortlichen sind ja bereits öfter durch Lügen Lind I) famierungskampagnen aufgefallen, (z.13. im Exzess). Diese verzerrte Art der Darstellung und Erzeugung eines falschen Bildes führt zu einer demagogischen Darstellung klarer Opfer- und Täterrollen"

Es läßt sich für uns im Nachhinein schwer rekonstruieren, wer die Leute in der Au verletzt hat, der Mann der vor einem Jahr im Exzess ausgerastet ist, oder seine ihn nach wie vor in seiner unkontrollierten Aggression unterstützenden Freunde und Freundinnen. Den Ausdruck„ Kameradinnen" finden wir in diesem Zusammenhang unangebracht und äusserst peinlich. Ebenfalls äusserst peinlich, bzw. eine bewusste Verdrehung von Tatsachen, finden wir, daß die „Au-Veranstaltungsgruppe" so tut, als hätte es im Exzess nicht eindeutig ein Opfer und einen Aggressor gegeben. Die meisten von uns waren auf dem Exzessplenum und wissen, daß der Hergang im Exzess von keiner Seite bestritten wurde. Die Gruppe Sinistra, die im Begriff war den Kneipenabend im Exzess zu verlassen, wurde von dem bereits erwähnten Mann mit den Worten „Hat der Mossad schon Feierabend“ provoziert. Als einer von ihnen den Provokateur fragte, was der Spruch solle, wurde er quasi als Antwort übergangslos ins Gesicht geschlagen. Obwohl niemand diesen Vorfall bestritt oder bestreiten konnte, wurde der Angreifer von zahlreichen Leuten mit für unsere Begriffe haarsträubenden Argumenten in Schutz genommen.
Für uns steht der Angriff im Exzess allein durch die Tatsache, daß es keine klare Absage an derartige Gewaltausübung gegeben hat, daß vielmehr noch versucht wurde, das Opfer des Angriffs im Exzess ( das der Schläger nicht kannte), zu diskreditieren und die Tat zu verharmlosen, in Zusammenhang mit dem aktuellen Vorfall.
Zum Teil wurde der Gewaltausbruch als logische Konsequenz aus infantilen Streitigkeiten anonymer Internetpostings zu erklären versucht. Es scheint ein großes Bedürfnis eines Teils der Linken in Frankfurt zu geben, sich gewaltsam gegen eine undefinierbare Gefahr mit dem Namen „die Antideutschen" abzugrenzen. Die bedrohliche und zerstörerische Macht die von dieser Gruppe auszugehen scheint, hat für einige Menschen aus der Frankfurter Linken ihre Gewaltbereitschaft gegenüber anderen Frankfurter Linken erheblich erhöht. Wie groß diese Bedrohung auch für die „Au Veranstaltungsgruppe" zu sein scheint, läßt sich an dem folgenden Statement aus ihrem Papier ablesen: „Wir danken unseren Freundinnen und UnterstützerInnen in der ganzen Welt, die uns seit Jahren zur Seite stehen. Solidarische Grüße an die linken Läden, Häuser und Bauwagenplätze, die es noch gibt. Ihr leistet super Arbeit. Macht weiter so. Laßt Euch nicht von den Arschlöchern, unterkriegen."

Wir sind nicht bereit, den anonymen Schlagabtausch auf Internetforen als ernstzunehmende Auseinandersetzung zu bezeichnen oder gar als Grundlage für Gewaltausbrüche zu akzeptieren. Wir fordern alle dazu auf, das posten auf diesen Foren zu unterlassen und die postings zu ignorieren. Hier ist weder nachvollziehbar wer schreibt, noch vor welchem Hintergrund und mit welcher Intention. Wir sind dagegen, die postings, deren Inhalt unserer Meinung nach oft unter aller Sau ist, ernst zu nehmen oder als Verhandlungsgrundlage anzunehmen. Ausserdem fordern wir alle Linken mit emanzipatorischem Selbstverständnis auf, Gewalt gegen andere Linke in ihren Räumen klar zu verurteilen, und denjenigen aktiv eine Absage zu erteilen, die eine Auseinandersetzung über differierende politische Einschätzungen durch Schläge ersetzen.
Wir glauben nicht, daß es bei diesen Abgrenzungsmassnahmen wirklich um den Konflikt zwischen Israel und Palästina geht. Vielmehr haben wir die Einschätzung, daß es um identitätsstiftende Massnahmen geht, die zunehmend paranoide Züge annehmen und aus diesem Grund gefährlich sind. Die Heftigkeit der Auseinandersetzung in der Linken hier steht in keinem Verhältnis zu ihrer (kaum vorhandenen) Relevanz für eine tatsächliche Lösung des Konflikts in Israel/Palästina.

Wir sind der Meinung, daß die Linke sich selbstverständlich mit eigenen antisemitischen Ressentiments auseinandersetzen und endlich vermehrt offen antisemitisch wirkenden Kräften wie Möllemann, Walser, Koch etc.. in den Weg stellen sollte, um das Leben und die Integrität deutscher Jüdinnen/Juden oder in Deutschland lebender Jüdinnen/Juden zu verteidigen.

10.05.2003 K. Schön (eine Wohngemeinschaft in der Au 14-16)

(Wir sind eine Siebenköpfige Wohngemeinschaft, keine politische Gruppe. Dieser Text ist deshalb ein Kompromiss aus durchaus differenten politischen Einschätzungen.)

Für die Einen ist es ein tag – für die Anderen die größte Provokation der Welt

Erklärung der Veranstaltungsgruppe der Au

Erklärungen der Sozialistischen Studienvereinigung