Deutschland wird Immunität für Nazi-Verbrechen gewährt - Das Wehrmachtsmassaker vom 13.12.1943 in Kalavryta (Griechenland)

Pressemitteilung des AK Distomo zum Urteil des EuGH vom 15. Februar 2007

Am heutigen 15.2.07 fällte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ein Urteil mit großer Tragweite für alle europäischen Überlebenden der NS-Verbrechen. Der EuGH entschied, dass Schadensersatzklagen durch Opfer von Kriegsverbrechen nicht dem sogenanntem „Brüsseler Übereinkommen“ unterfallen. Dies bedeutet im Ergebnis: Im Fall des Massakers von Kalavryta können die Opfer und Angehörigen der dort Ermordeten ihre Ansprüche nicht vor griechischen Gerichten geltend machen.

Am 13. Dezember 1943 begingen deutsche Wehrmachtssoldaten in der Ortschaft Kalavryta das folgenschwerste Massaker während der Besatzung Griechenlands, bei dem mindestens 696 Menschen ermordet wurden. Dieses Ereignis ist bis heute Symbol für den terroristischen Charakter der deutschen Besatzungspolitik in Griechenland, der allein bei Massakern mindestens 30.000 Menschen zum Opfer fielen. Kalavryta ist für die Menschen in Griechenland bis heute ein lebendiger Ort der Erinnerung an diese Zeit.

Die Täter von Kalavryta wurden niemals zur Rechenschaft gezogen, die Opfer nicht entschädigt. Die Opfer des Massakers und ihre Hinterbliebenen haben sich in den 90er Jahren entschieden, für die Anerkennung des Verbrechens zu kämpfen und eine Entschädigung für ihr Leid und die materiellen Verluste zu erstreiten. Die Bundesrepublik verweigert bis heute jegliche Entschädigungsleistungen.

Der Prozess um die Entschädigung der Opfer von Kalavryta ist beim Oberlandesgericht in Patras/Griechenland anhängig. Da Deutschland sich gegenüber Entschädigungsklagen in Griechenland auf den völkerrechtlichen Grundsatz der „Staatenimmunität“ beruft, legte das OLG Patras dem EuGH die Frage vor, ob die griechischen Gerichte sich zur Begründung der Zuständigkeit in Entschädigungsprozessen auf das sogenannte „Brüsseler Übereinkommen“ stützen können. Nach diesem Übereinkommen wären die griechischen Gerichte zuständig.

Mit der heutigen Entscheidung haben die europäischen Richter sich dem Willen der Bundesrepublik unterworfen. Deutschland wird vom EuGH Immunität gewährt, die Opfer werden rechtlos gestellt. Deutschland verweigert vielen Opfern nationalsozialistischer Verbrechen, die niemals Entschädigungsleistungen erhalten haben, bis heute jede Zahlung. Freiwillig hat noch keine bundesdeutsche Regierung NS-Opfer entschädigt. Aufgrund des EuGH-Urteils hat sich die deutsche Regierung mit ihrer Politik des Schlussstrichs vorerst durchgesetzt.

Für den Kampf um die Entschädigung aller Opfer von NS-Verbrechen in Europa ist dieses Urteil eine große Enttäuschung, denn es betrifft im Ergebnis nicht nur die griechischen NS-Opfer, sondern genauso alle anderen. Im Falle eines positiven Ausgangs wäre für die Opfer deutscher Verbrechen während des zweiten Weltkriegs der Weg frei gewesen, vor den Gerichten ihrer Herkunftsländer Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland zu führen und ihre berechtigten Entschädigungsansprüche endlich durchzusetzen. Dennoch ist mit dieser Entscheidung nicht das letzte Wort gesprochen, weder in juristischer noch in politischer Hinsicht. Deutschland wird sich den Konsequenzen seiner Vergangenheit stellen und die Opfer Nazideutschlands entschädigen müssen. Für Naziverbrechen darf es keine Immunität geben.

AK-Distomo, Hamburg, den 15.2.2007

Siehe auch:

Pressemitteilung des AK Distomo vom 28. September 2006: Bericht über die Anhörung vor dem EuGH. Entschädigung für die Opfer des Wehrmachtsmassakers vom 13.12.1943 in Kalavryta (Griechenland)

Presse

Keine Entschädigung - Der Europäische Gerichtshof hält die Klagen von griechischen Wehrmachts-Opfern für unzulässig. TAZ vom 16.2.2006

Straflos morden Neues Deutschland vom 16.2.2007

Opfer von Wehrmachts-Massakern können Deutschland nicht verklagen - Europäischer Gerichtshof: Kein individuelles Klagerecht. Junge Welt

Deutschland hat keine Schadensersatzpflicht. EuGH: Keine Entschädigung für Wehrmachts-Opfer. Tagessschau vom 15.2.2007

Familien von Wehrmachtsopfern verlieren vor Gericht Die Welt vom 16.2.2007

Weitere Informationen über das Massaker in Kalavrytha und der deutschen Reaktion auf die Entschädigungsforderungen Griechenlands:

Gedenken ohne Entschädigung: Unternehmen Kalavryta von Lars Reismann in der Jungle World

Gedenken in Kalavrita. Ein Massaker der Wehrmacht 1943 in Griechenland
Von Marianthi Milona im Deutshclandfunk

Griechenland: Pfändung deutscher Liegenschaften. Recht so!, Von Rolf Surmann in der Jungle World

"Zum Schweigen gebracht..." Wie die BRD mit Entschädigungsforderungen von NS-Opfern Umspring, Von Ralf Surmann, Konkret

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