SCHILDERUNG DER EREIGNISSE

Auf den Tag genau zwei Wochen vor dem NPD-Treffen im Haus Gallus (Frankfurt), hat in Neustadt an der Weinstr. der NPD-Bundesparteitag stattgefunden. Hier sind die inhaltlichen Vorbereitungen für den nächsten Bundestagswahlkampf abgesegnet worden. Erst drei Tage zuvor (am 11.9.) ist der Veranstaltungsort bekannt geworden, entsprechend kurz die Mobilisierungs- und Vorbereitungszeit .

An der Demonstration, zu der DGB, Grüne, SPD und WN aufgerufen haben, nehmen 800 Menschen, darunter etwa 70 Autonome teil. Kurz nachdem zwei Nazis, welche gemeint haben direkt neben der Demo provozieren zu müssen, eins auf die M ü tze bekommen haben, ist es zum ersten Bulleneinsatz gekommen. Um die Ecke sind etliche Einsatzwagen gekommen, Pfälzer SEK-ler aus den bereits geöffneten Türen gesprungen und haben wie wild losgedroschen (von den Bullen hinterher mit 5 Vermummten begr ü ndet). Völlig ü berrascht von diesem Einsatz, ist unsere Gegenwehr dementsprechend gering gewesen - die ersten beiden Festnahmen. Wir, rund 60 Leute, sind in eine Nebenstrasse abgedrängt worden, zwischen den uns abschirmenden Bullenketten und der Demo ist eine Lücke von 30m entstanden. Wir haben die Demo an uns vorbeilaufen gesehen, über Megaphon ist mehrmals "ruhig weiterlaufen" ertönt. Wü tend haben wir uns mit ansehen müssen, wie weit es her ist mit der "Solidarität im antifaschistischen Kampf". Dem energischen Auftreten des DGB- Kreisvorsitzenden Zubeck ist es zu verdanken gewesen, dass wir wieder in die Demo "zurückgedurft haben". Vorbei an dem Versammlungsort der Faschisten (der Stadthalle - einem Prunkbau im Stil der "Alte Oper"), der mit Sperrgittern und Unmengen von Bullen abge­schirmt gewesen ist, sind wir kurz später an dem rund 100m davon entfernten Versammlungsort angelangt.

Bezeichnend für die Folgezeit unsere Hilflosigkeit, da das Ziel die Veranstaltung zumindest zu stören nicht realisierbar, gewesen ist. Hinzu sind noch unsere Konzeptlosigkeit mangels Vorbereitung und eine Kundgebung wo die Leute, die zuvor an uns vorbeigezogen sind, von breitem antifaschistischen Widerstand (mit den Positionen dieser Bündnis-Chef -Theoretiker soll mensch sich mal intensiver auseinan­ dersetzen) gelallt haben, gekommen. So haben dann die meisten von uns versucht in Nebenstrassen und am Rande der Kundgebung provozierende Nazis aufzumischen. In der Folge ist es st ä ndig zu sporadischen Überfällen der Bullen und weiteren Festnahmen gekommen, was nicht weiter verwunderlich gewesen ist, da der Einsatzleiter dieser Truppe selbst NPD-Mitglied ist. Aber und das ist der Punkt, der uns arg aufstösst, es ist des öfteren zu regelrechten MOB-Szenen gekommen. Klar haben sich einige Faschisten mittels Parolen oder Buttons als solche ausgewiesen, aber es ist auch vorgekommen, dass einer "Faschisten" gebrüllt und sich daraufhin eine Meute auf die Gezeigten gestürzt hat .Oftmals ist es vollkommen schleierhaft gewesen, welche Anhaltspunkte zur Entlarvung gewisser Leute als Faschisten gedient haben. Es haben sich daraufhin viele Streitgespräche und Diskussionen entwickelt , welche aber unbedingt weitergeführt werden müssen. Wie lax teilweise mit obengenanntem umgegangen worden ist, ist erschreckend gewesen. Bei der anschliessenden Demo vor dem Bullenprä sidium (wegen der Festgenommenen) sind wider Leute abgegriffen worden. Etwa 20 kurzzeitige Festnahmen (rund ein Drittel von uns).mehrere Verletzte und viele ungeklärte Fragen, sind die Bilanz vom 14.9. .

Vorbereitung und Samstag,der 28.9.:

Mann im WasserwerferstrahlVor allem diese aufgeworfenen Fragen sind Grund dafür, dass sich wenige Tage sp ä ter in Frankfurt Leute treffen, die in' Neustadt a.d.W. gewesen "sind. Im Hinblick auf die Propagandaveranstaltung am 2B.9. im Haus Gallus finden dann mehrere Vorbereitungstreffen statt, wo die aufge­ worfenen Fragen, auch wie mensch ein solches Treffen ver- bzw. erheblich behindern kann, sowie eine Position zu Faschismus (was verstehen wir unter "antifaschistischem Widerstand") diskutiert werden. Beim ersten Vorbereitungstreffen sind zwei Delegierte vom antifaschistischen "Aktionsbündnis Gallus" anwesend, welches die Gegenveranstaltung, ein deutsch-ausl ä ndisches Freundschaftsfest , sowie die Kundgebung, organisiert. Sie haben ein "schlechtes Gewissenl?)" wegen den Vorfällen in Neustadt. Sie bieten uns an einen Delegierten in die Kundgebungsleitung und Ordner zu stellen. Da wir eine punktuelle Zusammenarbeit z.B. bzgl. Antifa-Veranstaltungen prinzipiell nicht ablehnen, nehmen wir das Angebot an, obwohl uns folgendes unklar ist. Entspringt dieses Angebot einer selbstkritischen Analyse vom 14.9. oder aber hoffen sie die für sie schwer einschätzbaren Autonomen kalkulierbarer zu machen um die Veranstaltung sauber über die B ü hne zu kriegen. Hierzu gibt es auch auf Grund unserer späteren Erfahrungen im "Aktionsbündnis Günter Sare" sehr unterschiedliche Einschätzungen. Natürlich haben wir unser. Aktivitäten nicht auf Teilnahme am organisatorischen Rahmen beschränkt (dieser erweist sich eh als überflüssig). Eine Fehleinschätzung bzgl. des Festes und der Kundgebung, wie auch die intensive Vorbereitung der Bullen (schon Tage zuvor) vor Ort, machen Aktionen zur Verhinderung der Nazi-Veranstaltung unmöglich. Wegen unserer entschlossenen Blockade gelingt es nur wenigen Nazis in den Versammlungssaal zu kommen. MOBartige übergriffe bleiben weitgehend aus, aber leider kriegen auch diesmal wieder mindestens zwei Unbeteiligte auf die Fresse. Samtag nachmittag finden sich insgesamt mehr als 1200 Menschen unterschiedlichster Gruppierungen, viele Ausländer, leider sehr wenige Bewohner des Stadtteils zum deutsch-ausländischen Freundschaftsfest auf dem Hof der Günderodeschule, direkt neben dem Haus Gallus,ein. Im Hof des Versammlungsorts eine Hundertschaft und ein Wawe 9000 mit der Bezeichnung IV1. Wir haben vorher beredet, unseren Protest nicht nur auf eine u.a. unter dem platten Motto "nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg" zu beschränken, sondern zu versuchen den ganzen Stadtteil einzubeziehen. Mehrere Leute ziehen mit einem Megaphon los und ihre Durchsagen haben besonders bei den ausländischen Anwohnern gute Resonanz (der Text wird auch ins spanische und türkische) übersetzt. Einige kommen hierauf auch zum Fest). Gegen 17.00 Uhr treffen die ersten Nazis ein, von da ab ist der Schulhof wie leergefegt - alle auf der Strasse. Es wird ein breiter Gürtel um die von Bullen errichteten Absperrungen gezogen. Die ersten Rangeleien mit Faschisten", daraufhin auch mit Bullen folgen, die einzelne Nazis durch unsere Reihen eskortieren. Es kommt des öfteren zu Ausfällen, um schon abwandernde Nazis ins Haus zu geleiten. Da mensch einem NPD-ler aber nicht unbedingt ansieht ob er einer ist, sickerten einige durch.

Barrikade Mit unserer vorherigen Einschätzung der Bullentaktik liegen wir ziemlich richtig. Massives Auftreten am Nachmittag bis zur vorgezogenen Kundgebung um 18.30 Uhr. Nach dem dann zu erwartenden Abzug gewisser "antifaschistischer Gruppen", sollen wir dann eingemacht werden. Dies dokume tiert sich auch in dem Funkspruch der Einsatzleitung "diesmal nicht wie bei der Südafrika-Demo" und in der feldherrenähnlichen Vorbereitung der Bullen. Wir sind also vorgewarnt und haben uns aui einiges gefasst gemacht, sind dann aber doch von der tatsächlichen Härte des Einsatzes überrascht. Je später es wird, desto Öfter bringen die Buller Faschos durch unsere Reihen. Dabei fliegen ihnen des öfteren neben Fäusten auch Flaschen, Kracher, usw. um die Ohren, oder die Nazis stinken plötzlich fürchterlich nach Buttersäure. Es ist ein ziemliches hin und her und nachden auch noch Leuchtspurmunitior durch die Gegend schwirrt kommt es zum ersten grösseren WAWE- und Prügeleinsatz, der den bis dahin festen Ring auseinandereissen lässt. Die Leute bilden diesen jedoch nach kurzer Zeit wieder neu. Dann kommt der nächste Versuch alles abzuräumen. Im Verlauf dieses Einsatzes wird Günter Sare von einem WAWE-9000 gehetzt und überrollt. Fassungslosigkeit, blanker Hass und ein ohnmächtiges Gefühl. Viele bleiben an Ort und Stelle, manche fahren nach Hause, andere flambieren Benz und ca. 250 Menschen machen eine spontane Demo in die Innenstadt. Gleich am Anfang krachen ein paar Scheiben und dann können wir auch schon wieder Spalier laufen und hin tendran ein WAWE-9000; dazu kommen noch Sprüche von den Bullen wie " was regst du dich so auf, du bist der nächste ". Von den Mörder-Mörder Parolen aufgeschreckte Passanten und Anwohner werden per Mega informiert. Einige schliessen sich uns an. Bis zur Alten Oper hat sich der Zug verdoppelt, dort löst sich der Demozug auf. Während der ganzen Nacht kommt es in Frankfurt zu Aktionen.

Kessel vor dem HauptbahnhofAm Sonntagmorgen wird eine Mahnwache an der "Unfallstelle" errichtet, die hauptsächlich von Gruppen wie der DKP oder dem WN organisiert und getragen wird, aber wich­ tig ist, weil sie die Möglichkeit einer permanenten Anlaufstelle auf der Strasse bietet.

Am Vormittag kommt es gleich wieder zu einem Bulleneinsatz. Eine Verhaftung durch Zivis (im Zusammenhang mit Mercedes Benz) und der Versuch dieses zu verhindern, ist Anlass genug mit zwei Hundertschaften und einem WAWE anzuzücken und gegen die etwa 30 Leute vorzugehen . Ergebnis: eine Schwer- und mehrere Leichtverletzte. Um 1B Uhr f indet e ine Kundgebung auf dem Paulsplatz statt und daran anschliessend eine Demo mit dem Ziel Gallus (Mahnwache)

Vermummter vor kaputter Scheibe eines Schmuckgeschäfts Das Gefühl, "jetzt reicht es" und eine fast unheimliche Wut kennzeichnen die Stimmung. Während der Kundgebung macht sich schon eine hektische Betriebsamkeit breit. An mehreren Stellen wird das Pflaster aufgebrochen und der Lohn der Arbeit überall verteilt. Dann setzt sich. der Demozug in Bewegung. Sofort gehen eine Überwachungskamera und ein paar Scheiben bei Degussa zu Bruch. ein leerer, alleinstehender Bullen VW- Bus mitten auf dem Thea­ terplatz f reinstes Sonderan­ gebot ) wird ziemlich demo­liert; daraufhin dann den ersten, für die Bullen noch nicht sehr erfolgreichen, .Einsatz. Die nun, nach diesem Vorfall, erst recht aufgeheiz­te Stimmung, entlädt sich prompt. Die Scheiben sämtlicher Banken, Versicherungen, Fluggesellschaften, etc. vom Theaterplatz durch die Münchener Str. bis zum Hbf werden entglast (auf den 500 m gibt es eine ganze Menge). Unmutsäusserungen von uns gibt es nur bei der Pl nderung eines kleinen Lebensmittelgeschäftes. Am Platz der Republik treiben die Bullen dann den Demozug teilweise auseinander, kesseln Demonstrantengruppen ein und lassen nur einen Teil des Zuges bis zum Gallus weiterlauf en. Einem anderen bleibt nur der Weg zurück zum Hbf. Dort angekommen, wird er von 7 WAWE5 und' einigen Hundertschaften eingekesselt. Die stundenlange Prozedur des einzelnen Rausgreifens und abführen der Leute wird nach und nach von immer mehr Menschen ausserhalb des Kessels beobachtet . Sehr viele stehen recht fassungslos herum und wissen nicht so recht wohin mit dem, was dort passiert. Es ist verdammt leise. Genau gesehen sind die Bullen von einem dreifachen Ring Menschen eingeschlossen, nur durch die WAWEs unterbrochen. Die Bullen werden nervös, als Leute beginnen den Eingekesselten, über ihre dämlichen Köpfe hin­ weg, Bier, -Kippen, zu Essen, etc. zu zuwerfen, was der Stimmung der "Gefangenen" sehr zugute kommt. Allerdings werden von den ca. 300 Leuten 255 vorübergehend festgenommen . Nun schieben die Bullen den Rest der Leute beiseite, führen grosskotzig der Presse das am Boden liegende "Waffenarsenal" vor und lassen photographieren.

Die Letzten verabschieden sie mit dem spruch "das nächste Mal sperren wir euch gleich ins Stadion".

Am Montag, den 30.9.

findet ein Trauerzug durchs Gallusviertel statt. In der Vorbereitung wird beschlossen, diesen Tag zur Information der Bewohner des Viertels zu nut­zen und sich nicht auf Pro­vokationen der Bullen einzulassen. Der Bereich um den Treffpunkt Mahnwache herum ist grossr ä umig durch Bullenketten abgeriegelt. Insgesamt sind heute ca. 2000 Bullen im Ein­ satz , bzw. in Bereitschaftsstellungen. Die Sperren können nur nach teils ausführlichen Leibesvisitationen passiert werden.

Mehrere Hundertschaften und Wasserwerfer stoppen den Trauerzug, an dem mehr als 1000 Menschen teilnehmen, schon nach 300m (angeblich weil die Demo nicht angemeldet ist). Unseren Parolen "1,2,3 Mörder macht die Strasse frei" leisten diese nat ü rlich nicht Folge. Welche Problematik hierachische Strukturen mit sich bringen, zeigt sich, als wir die Demo anmelden wollen. Es dauert lange, ehe sie ihren "Chef" finden, ohne den sie ja bekanntlich - ausser bei Knüppelorgien - entscheidungsunfähig sind. Als die formelle Anmeldung steht, konstatiert der Einsatzleiter nach langem hin und her, "dass im übrigen (lt. Wallmann) jegliche Art von Umzug in Frankfurt verboten sei" und er dies nicht revidieren kann. Die Anwohner verfolgen gespannt dieses "Bürgerkriegsspiel". Diejenigen die Ausschreitungen herbeisehnen (Gemmer, Wallmann, Einsatzleitung, ...) werden enttäuscht. Wo sind die "blutrünstigen Vandalen" vom Sonntag? -wir sind hier auf der Strasse, nur passt dies nicht in die bornierten Klischees vieler.

Nachdem der Versuch an einer anderen Stelle durchzukommen ebenfalls an der massiven Bullenpräsenz scheitert, lösen wir nach einer kurzen Kundgebung auf. Wiederum müssen wir die Absperrungen in Kleingruppen passieren, werden durchsucht. Im Anschluss greifen die Bullen wieder kleinere Gruppen in der gesamten Stadt an - es kommt zu mehreren Verletzten.

So verprügeln Zivis z.B. im Bereich der Hauptwache eine Gruppe Punks -nebenbei noch einen Geschäftsmann - staunen aber nicht schlecht, als sie darauf spontan von ausländischen Jugendlichen mit Steinen angegriffen werden und nebst einer nahe postierten Einheit die Flucht ergreifen müssen. Diese und ähnliche Reaktionen auf brutale, blinde Übergriffe der Bullen sind die angebl­chen Krawalle nach der Aufösung im Gallus.

Politisch gesehen ist dieser Tag insofern ein Erfolg, als dass wir geschlossen und dis­zipliniert aufgetreten sind und nicht ins offene Messer gelaufen sind.

Dienstag finden sich trotz des weiterhin bestehenden Versammlungsverbots 3000 Menschen auf dem Paulsplatz und ca. 2000 aussenherum, ein. Trotz der Hetzprapaganda in den Medien - sie haben verbreitet, dass heute eine bundesweite und bewaffnete Demo stattfinden soll. Nach der. genehmigten Kundgebung wird zur Demonstra­ tion aufgerufen. Die Bullen tosen ü ber Lautsprecher, dass sie den sich auf der Berliner Strasse formierenden Demozug keinesfalls zulassen werden.

Gegen die massiven Bullen­ ketten und die panzerähnlichen Wasserwerfer Mammut nützen Parolen natürlich herzlich wenig. Geplant ist, ins Ostend zu gehen, doch dies scheint nicht Konsens zu sein. Die Bullen schalten sich mehrfach über Lautsprecher in Gespräche ein (mittels der auf den Wawes montierten, hochempfindlichen Richtmikros kriegen sie so ziemlich alles, aus der scheinbar anonymen Masse, mit! Nach einer Stunde etwa gehen die Leute auf das "Angebot" der Bullen ein, den Paulsplatz in kleinen Gruppen zu verlassen. Wir gehen alle an der selben Stelle raus und formieren uns nach ca. 500m zu einem Demozug durch die Innenstadt zur "Alten Oper". Wie schon am Vortag, geht es auch heute um das Durchbrechen des Demoverbots. Deshalb geht auf diesem Stück kein Putz ab, obwohl es genug Gelegenheiten gegeben hätte und kaum Bullen zu sehen sind. Sichtlich ü berrascht von dieser Taktik gelingt es den Bullen (die ins Ostend rasen) erst ab der "Alten" Oper die Demo zu eskortieren.

Dann wieder derselbe Fehler, wie die Tage zuvor: Der hintere Teil der Demo ist zu langsam, schliesst nicht auf (in diesem Fall weil einige Leute in die "Alte" Oper stürmen, was zu Unentschlossenheit führt) und wird bei der nächsten Seitenstrasse von den Bullen abgetrennt. Wegen der schlechten Informationsstruktur im Demozug (viel zu wenig Megas und Kuriere) dauert es lang, bis dies an die Spitze vordringt - es wird weitermarschiert und der bis dahin gutformierte Demozug fängt an zu zerfallen. Auf dem weiteren Weg in Richtung Gallus (und dann die ganze Nacht) ein Bullenhubschrauber mit riesigem Halogenscheinwerfer über uns - Silhouetten, huschende Schatten, dann taghell - eine gespenstische Atmosphäre, über Bullenfunk kommt, dass diese wie wild nach kaputten Scheiben suchen, fast alle "Glasschaden" sind aber von den vorherigen Tagen und so kommt meist ein entäuschtes "negativ". Mehrere Zeugen haben bestätigt, dass Bullen im "Gallus" Scheiben eingeschmissen haben. Zum einen stehen sie im Zugzwang und suchen, bzw. schaffen sich Legitimationen f ü r die folgende Hatz. Zwischen Bullenpräsidium und G ü terplatz der Versuch 500-600 Leute einzukesseln, den Rest der Demo. Durch eine kleine Gasse und Hinterhofe können fast alle fliehen (ein paar Spezialisten flüchten irrtümlicherweise ins Bullenpräsidium), ziehen in kleinen Gruppen ins Westend. Von den Leuten, die nicht mehr rechtzeitig aus dem Kessel kommen, werden 30 Leute gezielt rausgegriffen. Erst jetzt werden Barrikaden gebaut - fliegen Steine. Viele Leute (auch die schon vorher abgespalten worden sind) befinden sich im Bahnhofsviertel. Da auch andere Kesselversuche gescheitert sind, entsteht für die Bullen eine konfuse Situation. Von dem Zeitpunkt an beginnt vor allem um den Hauptbahnhof herum, aber auch im restlichen Stadtgebiet, eine wilde, br­tale Treibjagd, auf alle, die wie Demonstranten aussehen.

'Noch in der selben Nacht und am nächsten Morgen finden Treffen statt, wo beschlossen wird, bis Samstag keine Demonstration mehr zu machen, da angesichts der H ä rte des Vorgehens von Bullen dies auf ein Verheizen von uns allen herauslaufen würde. Auf den Treffen des Aktionsbündnisses an den darauffolgenden Tagen wird auch von einer bundesweiten Mobilisierung Abstand genommen und für Samstag ein Konzept ausgearbeitet wird.

MITTWOCH, den 2.Oktober bis Samstag, den 5.Oktober und später!

Der BELAGERUNGSZUSTAND + AUS­ NAHMEZUSTAND durch die Bullen geht weiter. Immer noch sind etwa 2000 bis 2500 Bullen da. Eine Menge Zivis sollen es unm ö glich machen, in Gruppen (es reicht aber auch schwarze Kleidung) nachts durch die Stadt zu gehen oder sich nur treffen. Wannen heizen meistens in Kolonne, mal leer, mal besetzt, durch die Gegend. Die Demo für Samstag wir vorbereitet , dabei kommt folgendes Konzept zustande: - vormittags Info-Stände in den Stadtteilen (dieser Teil des Konzepts ist weniger ein Konsens als ein Kompromiß zwischen Demo oder nichts).

•  ab 14.00 Uhr Treffen auf der Zeil, zwischen allen Samstags Einkauf enden .

•  Die Vorbereitung hat auch zum Ziel, Leuten aus anderen St ä dten (die, obwohl es keinen bundesweiten Demo-Aufruf gibt, nach Frankfurt kommen zu lassen in eine übersichtliche Situation, damit auch in eine ziemlich gef ä hrliche Lage), ein Minimum an Struktur zu geben. Das Verbot der Demo ist schon so gut wie sicher, trotzdem wird eine Anmeldung beim Ordnungsamt abgegeben. Ebenso wird eine Kundgebung bzw. Infoveranstaltung, die den ganzen Tag auf dem Paul splatz stattfinden soll, ange meldet . Auch die wird vor Samstag verboten. (Es bleibt also beim absoluten Demo- und Versammlungsverbot.) Dieses erneute Verbot macht nur ein mal mehr deutlich, gegen wen und gegen was sich diese Verfügungen richten. (Viele Leute brauchen viel Platz, viel Platz l äßt viele Möglichkeiten zur Aktion.)

Der Paulsplatz ist fast abgriegelt , Personenkontrolle nach Augenmaß .. D.h. Durchsuchung der Taschen und der Kleidung. Eine Bullin mit Plastikhandschuhen ist auch dabei, extra für uns Frauen. Die Reaktion der unbeteiligten Passanten, die eben nicht gefilzt werden, ist vollkommenes Erstaunen: "Das gibt's doch nicht." überhaupt fragen sich viele angesichts des Bullenaufgebots, was denn los ist. Manche meinen, daß da gerade ihre Steuergelder fahren, als die Kolonne von ca. 30 Einsatzfahrzeugen über die Berliner Straße irgendwohin gurkt. IM LAUFE DES SAMSTAGES WERDEN 40.000 FLUGBLÄTTER (EBEN ALLE GEDRUCKTEN) VERTEILT!

Solche Gegendarstellungen zu den Ereignissen gegen Pressehetze, gegen all die schiefen bis einfach falschen Darstel­lungen, sind uns verdammt wichtig. Das rege Interesse der Leute auf der Straße, das Flugblatt in die Hand zu nehmen, weil man/frau ja im großen und ganzen weiß worum es geht und dazu noch was anderes lesen will als Zeitungsartikel, ist jedoch erstaunlich! Auf dem Paulsplatz entwickeln sich längere Diskussionen mit und zwischen den Passanten - lauter verbotene Versammlungen. Einmal fordern die Bullen sogar die diskutierenden B ü rger auf, sich unverz ü glich aufzulösen, da sie sich verbotenerweise versammeln. Besser hätten wir wohl kaum vermitteln können, was Ausnahmezustand heißt. Noch nie kam Flugblattverteilen so geil.

Der zweite wichtige Teil des Konzeptes ist natürlich die Durchbrechung des Demo- und Versammlungsverbotes. Kurz nach 14.00 Uhr formiert sich eine Demo auf der Zeil. Den ganzen Nachmittag brauchen die Bullen dann dafür, durch Ab-riegelung der Zeil und späteren Kesselversuchen (was nicht klappt), die , einkaufenden Leute von den Demonstranten zu trennen und letztere zu isolieren. Ein Teil der Leute wird von der Zeil (Fußgängerzone) auf die daneben liegende Straße gejagt und eingekesselt. Es folgen mehrere Knüppeleinsätze .

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