Redebeitrag der autonomen antifa[f] auf der Antirepressionsdemo "Keine Freunde, keine Helfer" am 12. April 2008

Wir demonstrieren heute gegen Polizeigewalt und Repression.

Das ist gut und es wird auch langsam mal Zeit, dem Sicherheitswahn hier etwas entgegen zu setzen.

Damit unsere Aktion aber nicht als reine Empörung schnell wieder im Sand verläuft, gilt es denn Zusammenhang zwischen Gewalt, Staat und bürgerlicher Demokratie auf der Höhe der gesellschaftlichen Verhältnisse zu kritisieren.

Um es also ohne lange Vorrede auf dem Punkt zu bringen: Gewalt und bürgerliche Demokratie gehören zusammen wie Kapitalismus und Profit. Das zeigt sich nicht nur dann, wenn der angeblich so demokratische Staat in Form seines Gewaltmonopols, der Polizei, mal wieder mit Knüppeln gegen Linke vorgeht, sondern gerade dann, wenn alles friedlich erscheint. Denn der Kapitalismus ist ein System, das von Widersprüchen und struktureller Gewalt durchzogen ist.

Sei es der Zwang dazu, sein Leben nach den Imperativen kapitalistischer Verwertung organisieren zu müssen, um sein eigenes Überleben zu sichern oder auch die tägliche Abschiebungen von Migranten/innen: der Kapitalismus ist ein gewaltförmiges System und das gilt es heute ebenso zu kritisieren, wie die Verhaftungs- und Prügelorgien der Polizei.

Gleichzeitig muss in diesem Zusammenhang auch auf die Rolle und Funktion der Polizei hingewiesen werden: Die Cops prügeln eben nicht nur aus schlechter Laune. Wo einerseits strukturelle Gewalt notwendig ist, um den Betrieb am Laufen zu halten, muss sich andererseits auch jemand darum kümmern, dass niemand aus der Reihe tanzt. Das ist der Job der Polizei.

Der dahinter stehende Staat ist daher genauso weder Freund noch Helfer. Der Staat ist eben der Staat des Kapitals (als Ganzes) weil er mit dem Gewaltmonopol die kapitalistische Eigentumsordnung aufrechterhält. Und in der globalen Standortkonkurrenz muss er dies auch tun, will er nicht - Stichwort Steuern - einfach Pleite gehen. Erfolgsbedingung des Staates ist also, dass die einzelnen Apparate und Interessen letztlich immer wieder den Erfolgsbedingungen des Gesamtinteresses des Staates an seiner eigenen Existenz, d.h. einer funktionierenden kapitalistische Wirtschaft, untergeordnet werden. Und das ist das Gegenteil des angeblichen „Allgemeinwohls“. Staat und Wirtschaft, Politik und Ökonomie sind keine Gegensätze, sondern auf einander angewiesene Institutionen des Kapitalismus. Jede Veränderung mit und durch den Staat findet seine Schranken also früher oder später an dessen „Sachzwängen".

Innerhalb der globalen Standortkonkurrenz gibt es nun eine riesige Bandbreite wie - /nicht ob/ - deren Anforderungen erfolgreich entsprochen werden kann. Also, wie hätten sie es den gern: Mit Studiengebühren oder Bachelor/Master-Studiengängen? Mit „mehr Polizei" oder „Bundeswehr im Innern"?

Dabei geht es nie um "mehr" oder "weniger Staat", sondern immer nur darum */wie/* die Staatsgewalt zur Durchsetzung des Zwangsschrackters dieser Gesellschaft eben organisiert ist. Die kapitalistische Struktur dieser Gesellschaft setzt zur Erreichung bestimmter Ziele (z.B. stabile Staatsfinanzen) notwendig bestimmte Maßnahmen (z.B. Lohnsenkungen, Abschiebungen, Aufmüpfige Studenten verprügeln) voraus. Die Antwort das Staates auf den Umsturz findet sich nicht in der Wissenschaft, sondern im Strafgesetzbuch. Lediglich über die Techniken kann der Staatsbürger sich streiten: also mit welchem Mix von Sozialhilfe, Sozialarbeiten, Polizei, Justiz, Militär usw. sich der Staat für dieses Ziel aufbläht. Ein Staat muss schließlich tun was ein Staat tun muss.

Und das heißt: wenn die Polizei mal wieder soziale Konflikte mit Gewalt lösen will, dann ist das keine gemeine Ausnahme, sondern Teil der Regel. Unser Staat ist also in Ordnung und gerade deswegen ein Arschloch. Auch das Personal ist dementsprechend austauschbar, dass Ergebnis wird in jedem Fall Scheiße. Dagegen hilft keine „moralische Betroffenheit“, sondern nur eine umfassendere Strategie.

Wer die Polizei scheiße findet, der muss folglich auch den Staat scheiße finden, weil Kapitalismus scheiße ist. In ihm kommen eben nicht nur Kräfteverhältnisse zum Ausdruck, sondern er ist untrennbar verbunden mit einer irrationalen Gesellschaftsordnung. Diese als vernünftig umzudeuten versucht eine absurde Ideologie des Allgemeinwohls zu kreieren, die verschweigt, dass es kein Allgemeinwohl im Kapitalismus geben kann, weil es kein allgemeines Interesse gibt, sondern nur Klasseninteressen.

Wer dagegen nun keine eigene Firma hat und weder Schuldirektor noch Unipräsident ist, sich darüber hinaus außer ein bisschen Aufschwung nichts von Wachstum erhoffen kann, der/die sollte sich mithin besser nicht auf den Staat verlassen, weil mensch sonst verlassen wird.

Was heißt all das also für eine linksradikale Strategie?

Sicherlich kann es für uns nicht bedeuten, die Hände in den Schoß zu legen. Die Einsicht in den strukturellen Charakter des Staates darf nicht dazu führen, die notwendige Kritik an den Konsequenzen seiner Verfassung für absurd zu erklären. Vielmehr muss er auch an seinen eigenen Maßstäben gemessen werden, solange er sich noch als bürgerlicher versteht und sich noch nicht offen zum autoritären bekennt.

Konkret heißt das aber vor allem auch: Wir müssen den politischen und finanziellen Preis für die autoritäre Kriminalisierung sozialer Konflikte in die Höhe treiben. Euch fällt dazu bestimmt etwas ein...

Das kann aber auch noch nicht alles sein. Denn der Staat würde dann ja nur seine Technik an die Kräfteverhältnisse anpassen. Eine Kritik am Verhalten der Polizei, am Sicherheitswahn der bürgerlichen Parteien usw. muss im nächsten Schritt verdeutlichen, dass diese Kritik nur mit der Ablehnung der Institutionen und damit dieser Gesellschaft zu haben ist. Die Bürger können ja weiter am Rockzipfel von Vater Staat hängen und um Milde betteln – wir hingegen sollten die begründete Empörung über diesen Staat und seine Polizei richtig einordnen und erklären können.

Es muss allerdings mehr sein, als im Kant-Seminar an der Uni Stimmung gegen den Staat zu machen oder nur noch den Sportteil in der Zeitung zu lesen. Da der Staat der gewaltbereite Arm dieser bescheuerten Gesellschaft ist, gilt es, sich dagegen zu organisieren, um in gemeinsamen Prozessen, ein paar subversive Schritte in Richtung des Richtigeren zu tun.

Und das heißt, zumindest solange das mit der Revolution noch nicht klappt, eben das übliche zutun. z.B. einen Naziaufmarsch verhindern oder rassistischen Ministerpräsidenten Redeverbot erteilen. Die letzten Monate haben ja gezeigt, dass das geht.

In diesem Sinne:

Lasst euch nicht erwischen...

Für „eine Welt in der jeder ohne Angst verschiedenen sein kann“ - Gegen den Staat - für den Kommunismus!*

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